Mit 2 Fingern


Ich bin leidensfähig. Ich bin so erzogen. Ich bin einer derer, die in den 68ziger Kinderläden vegetierten.
Dazu folgendes: Ich habe den Laden angesteckt, meiner Mutter in den Arsch gefickt, meinem Vater in die Schnauze gehauen, Abitur gemacht, vier Semester Medizinstudium eingeschoben -, und dann meine Bestimmung und Profession als Söldner gefunden.
Ich habe Menschen getötet. Für Geld. So wie alle es tun.
Ja, ich habe. Und ich bin. Und ich schäme mich nicht dafür.

Ich kam aus dieser Hütte in Medellin und warf im Gehen eine Handgranate. Sie muss sofort tot gewesen sein. Und irgendwie tat sie mir leid, wie mir die ganze Welt ab und an leid tut. Das Chaos.
Es lag am Umstand. Es liegt daran. Es war Krieg. Es ist Krieg. Wir gegen die. Die gegen uns. Ich für alle.

Gegen Nachmittag rückten wir gegen das Dorf vor. Es war irre, war heller Tag, und doch stand ein voller Mond am Himmel. Blass zwar. Aber er war. So wie wir.
Das Mädchen stand vor der Hütte. Ihr Gesicht im Schatten von Palmenblättern.
Sie wird 14 sein, sagte ich zu Georg.
15. Sagte er.
Du gibst mir Deckung, ich gehe rein.
Nach 20 Minuten war ich mit ihr durch.
Die Handgranate zündet ich ihrer Augen wegen. Ich konnte diese Verzweifelung in ihrem Blick nicht ertragen. Die Erinnerungen an den Kinderladen. Meine Mutter. Den Professor, der mein Vater war und nie was auf die Reihe bekommen hatte. Nicht mal mich.

Ich bin damit durch. Ich schreibe darüber. Mit 2 Fingern.
Wenn man schreibt, trifft man die Idioten von gestern - die die Idioten von heute sind - die von morgen.
Wenn man mit zwei Fingern schreibt, kann man über die Kretins und die Umstände länger nachdenken. So habe ich mich kennen gelernt.

Unsäglich auch dieser Dings da ..., dieser Bernhardverschnitt.
Der weiß alles, sagt er. Und er schreibt alles auf. Vor allem das Überflüssige.
Nach eigenen Angaben berät er Firmen, die legal betrügen wollen oder es schon tun.
Passt zu ihm, würde ich meinem Kampfgenossen Georg sagen - wenn der noch lebte.
Nach meinen Menschenkenntnissen ist der Kerl Psychopath, impotent und pisst ins Bett. Ist Jude, Neger, hat ein Auge und tanzt in der Travestie vom Alcazar den Buckligen. Wenn überhaupt.

Er lag über mir. Doch das war’s nicht. Ich hasste Etagenbetten schon davor.
Der Typ muss einen halben Liter gepisst haben.
Als mich die ersten Tropfen trafen, war ich raus, riss ihn an den Haaren aus der Koje und trat ihn ins Gesicht. Danach rauchte ich eine. Dann kam Alarm.
Meine Stiefel blieben blutig, bis der Einsatz gegen die Dealer beendet war. Das ausgelaufene Ei des Typen hat die Katze gefressen.

Ich hab’s selber gesehen, sagte Georg. Wirklich. Danach hat sie sich geputzt. Erst danach habe ich sie erschossen.

Mir machen solche Viecher Angst, sagte ich. Ich kann nicht ruhig schlafen, wenn was um mich herum kriecht ...

Hast recht, sagte Georg. Weg damit.

Es sind diese Typen, die sich auskennen. Immer. Ich meine, ein Satzeichen kann genauso gut Fliegenscheiße sein. Ein Bindestrich ein Hundefurz. Schokolade Scheiße. Doch diese Typen lassen nicht locker. Sie sagen dir, dass du ein Arsch bist, wenn du ihre Regeln nicht befolgst.
Als ob ich das nicht wüsste.
Das Gute daran, viele sind anonym typische Ärsche ... Und ich will auch gar nicht wissen wo die hausen. Besser so. Für die und mich.

Ein prima Versteck, sagte Georg. Und zog den Köter aus dem Benzinfass.
Kann ein Fila Brasileiro sein, sagte ich.
Stinkt nach Diesel.
Sieht auch so aus.
Beißt aber nicht, grinste Georg.
Der ist auch noch jung. War ich der Meinung.
Nimmst du ihn?
Klar. Fleisch zum Verfüttern gibt es hier ja genug.
Die schmutzigen Gedanken von Georg lachten dazu. Und deshalb.
Wie soll er heißen?
Tom, wie der aus der Disco? Nee!
Tim?
Tim. Tim klingt gut!

Wir hatten die Ernte eines halben Jahres zu verbrennen.
Ein halbes Dutzend der Cocabauern stand dabei und fluchte.
Georg hing ein Bündel der Blätterscheiße aus der Tasche. Er kaut so was. Ich nicht. Einer der Indios packte ihn wegen des Shit am Hals.
Gib mir mein Gras zurück, du Ziegenfick.
Dein Gras?, höhnte Georg - und Blut spritzte ihm aus der Schlagader am Arm.

Es war ein trockener Ton, wie beim Tennisspiel, wenn man den Aufschlag Sweetspot trifft, der die Situation finischte.
Tim lag an der Erde. Tot.
Zehn Sekunden später lag neben Tim der Kopf des Indios.
Seine Machete steckte ich in den Gürtel.
Wer weiß, wozu man die mal brauchen kann.
Ja. Sagte Georg. Hast du mal ein Verbandspäcken?

Wir begruben ihn einen Tag später zusammen mit dem Hund.
Georg, ritzte ich in eine Holzlatte. Tim.

Georg! - Tim!
Darüber schreibe ich. Und über Ziegen ficken - mit 2 Fingern - und jenseits aller Regeln ...


April 2006 by michy köhn

Kontakt zur Autor: Michael Köhn - M.Koehn@literatalibre.de

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