Der Weg zum Glück

Wenn ich auf dem gelblichen Sand am Meer entlang gehe und oberhalb von mir ei-
nige Möwen laut kreischen und mir jetzt im November, vereinzelt einige Menschen entgegen kommen und der Wind mein Haar durcheinander wirbelt, dann denke ich über frühere Zeiten nach, über bessere Zeiten, als die heutigen. Früher soll ja alles
viel schöner und stilvoller gewesen sein, aber die Zeit bleibt bekanntlich nicht stehen,
sie wandert immer weiter, so wie die rauen Wellen des Meeres, eine Welle nach der
anderen produzieren und das Leben, solange man lebt, nie zu Stillstand kommen wird. Aber warum auch? Der Tod, das Ableben, wird schnell genug eintreten, manchmal denkt man daran, gerade wenn es einem schlecht ergeht. Vielleicht so schlecht ergeht, das die „Wellen des Todes“ im poetischem Sinne, wieder zu toben beginnen, einen jeden mit in die „Hölle“ reißen, denn das himmlische Meer kennt kein Erbarmen und macht mit dem Töten munter weiter, bis die Natur ihre Laune ändert und die großen Fluten langsam abflauen.

Manchmal muss es mit dem Töten eine Ende haben, vielleicht symbolisiert durch die
„Ebbe“, wenn das Meer so eine glatte Oberfläche aufweist und eine Stille sich mani-
festiert, die hier nur am Meer möglich erscheint, hier mitten in der Natur, bei blauem
Himmel und ich ganz alleine in dieser Idylle, ein wenig einsam, ein wenig fröhlich.
Denn was könnte man sich mehr wünschen, an diesem wunderbaren Tag, an diesem
Montag, Anfang der Woche?

Da ist wieder mein spitzbübisches Lächeln, dass die Menschen fröhlich entgegen ne-
hmen und die Wellen der Meere, wandeln vom Zustand der Ebbe, langsam aber sich-
er, zur aufkommenden Flut. Man spürt dieses Schauspiel der Gezeiten deutlich, wenn
der Wind von der Seite rau an meine rechte Wange schlägt. Auch die ersten bunten
Drachen steigen, die flatternd im Wind stehen und die Möwen mir ihrem weißem Ge-
fieder, knapp über dem Wasser fliegen, fast so, als würden sie dort verharren, ehe sie wieder ihre gurrenden Schreie ausstoßen, die irgend etwas von Hitchcocks Film „Die
Vögel“ verkörpern.

Es ist jetzt eine unheimliche Atmosphäre, hier an der See, wo die Flut wieder das
Kommando übernommen hat und der kalte Wind mein Gesicht bearbeitet, so dass
das Blut in meinem Kopf schießt und die weiße Haut auf meinen Gesicht, leicht ge-
rrötet wird und zu schmerzen beginnt.

Das Leben hat eben nicht nur seine angenehmen und schönen Seiten, sondern auch,
die schmerzhafte, kranke Seite, die man am Meer, mit ihren Gezeiten, gut wahrneh-
men kann. Aber das herzhafte Lachen, sollte dem Individuum nicht genommen werden, auch wenn man manchmal herzlich lacht und eigentlich nicht genau weiß warum. Der Psychoanalytiker Erich Fromm hat einmal gesagt, dass in unserer Gesellschaft, in der in Hülle und Fülle alles vorhanden ist, der Einzelne zwar Spaß und Vergnügen haben könnte, aber im eigentlichen Sinne, keine echte Freude mehr empfinden könnte. Ein sehr provokante These, von Herrn Prof. Fromm, die damals die Gemüter erhitzte. Aber wer von uns kann von sich behaupten, er sei glücklich im Leben und werde wahre Freude empfinden? Jeder Mensch strebt- es sei denn, er wäre „verrückt“ -nach dem „Glück“, zumindest versucht er durch ein diszipliniertes Leben, dahin zu gelangen, aber bis dahin muss er so manches Hindernis überwinden, was Kraft kostet, der Mensch sich aber nicht davon abhalten lässt und seinen steinigen Weg zum „Glück“ mit aller Konsequenz fortsetzen wird. Gibt es denn eine wirkliche Alternative dazu? Sie gäbe es schon. Aber wer möchte da ernstlich hin? Man will natürlich nicht zu den Verlieren unserer Gesellschaft zählen und auf dem Arbeitsmarkt nichts mehr wert sein, „dann ist man ja kein Mensch mehr“, so Erich Fromm. Auch wenn es uns nicht so gut geht, so hat der Mensch gelernt sich der Situation anzupassen oder sich gar meisterhaft zu verstellen. In bestimmten Situationen, muss der Einzelne diese „Täuschung“ anwenden, um nicht zu offenbaren, dass er im Moment indisponiert ist, wenn er beruflich eingespannt ist und seine „Launen“, für sich behalten sollte. In diesem Zusammenhang, ein Beispiel, aus der Psychiatrie gefällig? Eine Frau, die auf der geschlossen Abteilung einer Psychiatrie einsaß und etwa Mitte Vierzig war und eine bipolare Störung(Manie) als Diagnose hatte und sehr unruhig war, aber niemanden oder sich selbst etwas angetan hatte, der diensthabende Arzt mit seinen Pflegern zu dem Ergebnis gekommen sind, diese Frau trotzdem zu fixieren und als sie es ihr mitteilten, sie damit gar nicht einverstanden war, sich gleich fünf Pfleger auf sie stürzten und sie gewaltsam zu Boden warfen und kurzerhand auszogen, sie auf dem Rücken liegend festmachten und zum Schluss dieses gewaltsamen Aktes, nackt wie sie war, eine „Haldol-Spritze“ in den Bauch jagten.

Dieses „Haldol“, ein hochpotentes Neuroleptikum, gegen den massiven Einsatz gegen „Schizophrenie“ und „Psychosen aller Art“, stellt den Patienten vor allem ruhig und er geht dabei wie ein Roboter und bei manchen Patienten entwickelt sich eine „Sitzunruhe“, die sie ständig, auch ungewollt in Bewegung hält, bis sie nicht mehr können oder wollen.

Dem Psychiatrie-Patienten, scheint das „Glück“ im Leben abhanden gekommen zu
sein, wenn man sich meine oben genannten Ausführungen noch einmal vor Augen
führt. „Freude“ im Sinne von E. Fromm, wird der Psychiatrie-Patient wohl unter
„Haldol“ nicht mehr verspüren. Eher wird er kaum das Licht am Horizont erkennen
können und wird einer bestimmten Hoffnung nach hängen.

Krank sein, will wohl niemand sein, aber manchen Menschen ist eine dauerhafte Ge-
sundheit von Natur aus nicht gegeben, deshalb müssen sie leiden, manchmal mehr
leiden als ihnen lieb sein kann, wo andere Menschen Freude empfinden. Sie können
sich ihr krank sein nicht aussuchen, sie müssen damit leben, ohne Wenn und Aber, wie es Frau Bundeskanzlerin in einem anderen Zusammenhang nichtssagend aus-
drückte. Da können auch hochtrabende Gedichte und Prosatexte nur eine winzige
Erleichterung verschaffen, aber gerade dieser kleine Lichtblick, konnte schon so
manchen leidenden Kranken eine Hilfestellung sein und einen Schuss kurzen Glü-
ckes durch seine Lenden fahren lassen, die den Kampf gegen die Krankheit ein wenig
lindern kann, der Kranke aber weiterhin mit seinen Sorgen und Nöten zurecht komm-
en muss, auch wenn er diesen erbärmliche Zustand verdammen könnte und endlich
von seinen krankheitsbedingten Symptomen befreit wäre.

War dem Kranken das „Lachen“ lange Zeit verwehrt, wird durch seine Genesung,
seine Stimmung langsam aufgehellt und der Lebensmut kehrt allmählich zurück und
vertreibt die bösen Geister, bis der Kranke nicht mehr krank ist, sondern bald gesund,
sich mit einem Male eine allgemeine Fröhlichkeit einstellt, die die Welt wieder posi-
tiver erscheinen lässt, zumindest aus der subjektiven Sichtweise des Genesenen, denn
objektiv gesehen, ist die Welt sicher ein großes Chaos und eher zum Schlechten hin
tendierend, auch wenn das Gute, dann doch immer wieder siegen wird.

Wenn die Pessimisten die Welt ohnehin pessimistisch betrachten und die Optimisten
die Welt ohnehin optimistisch deuten und beide Weltanschauungen doch eine Utopie bleiben, weil die Welt viele Facetten hat und einem Würfel gleicht, der nicht auszu-
rechnen ist, weder von Optimisten, noch von den Pessimisten oder anderen Lebens-
weisheiten.

So wie wir vergehen werden, so wird auch unsere blauer Planet verschwinden, aber
das Szenario kann noch ein Weilchen dauern, liebe Leserinnen und Leser und wir leben ja noch und sollten es auch auskosten und sei es bis zum letzten Atemzug.

 

Kontakt zum Autor: Wilhelm Westerkamp - nc-westerwi4@netcologne.de 

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