Herr Piaf


Er wusste selber nicht genau, wie es ihn durchströmte. Mit schwungvoller Energie und brodelnder Ladung. Mit dem Zug 800km Wegstrecke, das ist nicht genug, gleich wieder retour. Der Weg ist entscheidend, der Fluss, der Drang, nicht der Sinn, nicht das Ziel.

Am Liebsten hätte er die Bodensee-Königin gekauft, Feste veranstaltet und das Feuerwerk entfacht.

Rechtszeitig konnte ein gesunder Menschenverstand Schlimmeres verhindern, sodass von ärztlicher Seite die Medikation optimiert wurde. Alles hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, auch Herr Piaf ist sichtlich erleichtert und zufrieden, sogar stolz, dass er die rettende Umkehre selber einleiten konnte.

Von nun an ein vorsichtiges und behutsames Vorgehen, um niemanden zu gefährden, auch selber einer Entgleisung bedacht entgegnen.

Wieder im gewohnten Umfeld, mit scheinbarer Windstille.
Dennoch brodelt das Feuer der Seele, als wäre die einst lodernde Flamme in Form einer Glut noch bereit für Exzesse.

Es kommt die Enge in einem Gang. In einem dunklem, langen Gang, aus dem es kein Entrinnen gibt. Als Zwang, man müsse es tun, jetzt oder später, ohne Auslöser der Situation. Man steht einfach in einem düsteren Gang und kann nur geradeaus gehen. Wie in einem Sog wird man getrieben, immer weiter immer mehr in die Tiefe und unausweichlich, bis Herr Piaf es tun muss. Er stürzt sich noch tiefer hinab, lässt sich fallen, sodass er dem Druck widersteht.

Herr Piaf ist nun aufgewacht, hellwach in einem Zimmer, mit dem Wissen, dass es passiert ist. Dass er überlebt hat. Eigentlich wollte er das nicht, doch sein Lebensweg führte ihn in diese Richtung.

Zahlreiche Fragen kamen ihm hoch, quälend und fordernd, Nächte lang, bis zu dem Punkt der Kehre, so wie ein Rad, das einmal rollte.
Herr Piaf wollte leben. Er hat ein Leben bekommen, ganz bewusst ein Leben bekommen, das gelebt werden wollte, um Erfahrungen und Liebe weiterzugeben.

Schritt für Schritt, wenn auch hinkend, an den Rollator gebunden, kreist Herr Piaf um den Stationsstützpunkt. Doch es machte Sinn. Nicht, dass er das Ziel kenne, aber es machte Sinn. Das Gespräch mit Menschen, das Denken an Pfirsichblüten und Honigbrot.

Eines Tages kommt er hier heraus. Kann erzählen von seinen Eingebungen und Hoffnungen, von seiner Zuversicht und Freude über dieses Leben.
Alles ist wahr an dieser Geschichte, das ist das Wundervolle.
Irgendwie hat doch ER seine Hand im Spiel und wir werden alle getragen.
 

Kontakt zur Autorin: Stella M. über die Literaturkneipe

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