Greinen erlaubt


Waldmeister hängen von der Restaurantdecke herab, Wichte in Waidmannsuniformen. Sie spucken auf Gäste und Gesetze, auf Gesundheit und Geschmack, sie schleimen und schiffen auf Tische, Tischdecken und Kerzen. Sinnlos, sie wieder anzuzünden. Ist das nicht sonderbar?
Försterkörpersäfte zeichnen sich durch Zähflüssigkeit, durch Langfädigkeit aus. All die Samenblasen, die Schleimzungen und Eiterbeutel! Mutter Erde zieht sie in die Länge.
Schwelger schimpfen unter Regenschirmen. Doch die Genießer, die Gourmands kommen immer wieder. Nur hier, im „Schnappsack“, wollen sie wanstig werden.
Jedem Gaumengauch kauen zwei Kellner vor. Ihre geübten Zungen schieben, stopfen und schmieren das Vorgekaute, die Rachenragouts in Feinschmeckermäuler. Die Schlampamper versuchen, den Schirm in der einen Hand, ein Weinglas in der andern, Restekel hinunterzuspülen. Da! Zu spät. Zwei Gäste übergeben sich.
Putzfrauen tauchen auf, Quastenflosser in Gummianzügen und Sauerstoffmasken. Sie schieben Gleichmut, Dreck und Säfte vor sich her, sie schieben alles zur Tür hinaus. Sie überfluten die Füße vieler Schaulustiger. Spucken Gäste und Waldmeister wie Weltmeister, dann stehen die Maulaffen bis zu den Knöcheln im Speichelfluß. Dann reicht ihr Staunen bis zu den Bongossiknüppeln, bis zu den Alpkräutern und Wunderwürmern in Nachbars Garten. Die Gaffer grunzen, sie ahen und ohen. Am nächsten Morgen meldet die Abendzeitung: „Land unter vor dem ‘Schnappsack’!“
Eines Abends, Mutter Sommer scheint durch schweißbeschlagene Fensterscheiben, beugt sich Harndrang Hirnviel, die vollgefressene Fahrradspeiche, über einen Försterrücken. Der Roßkopf wiehert, er liebe Waldmeister: gekocht, gebraten und frittiert. Plötzlich plumpst ein Spucker von der Decke. Harndrangs Regenschirmspitze spießt ihn auf, sein Arm aber kann das Gewicht nicht halten und knickt ab. Kellnermesser knirschen über Porzellan. Daherlaufende Ober buckeln den Verwesenden dorthin, wo ihn Fett verspritzende Köche, Töpfe und Pfannen erwarten. Sie schleppen ihn in die Küche, in eine Gewölbegruft, aus der Dämpfe hervorquellen, Messerwetzen und Beschwörungen. Harndrang Hirnviel reibt sich die Augen. Dann widmet er sich wieder Vorverdautem, er schluckt den Brei, den ihm seine Seitenkellner in den Schlund schieben.
Hilfeschreie gurten die Fahrradspeiche an den Sitz. Harndrang sieht den Förster aus der Küche kommen. Dem tot Geglaubten steckt ein Beil zwischen Becken und Bein. Der Gaumenkandidat galoppiert, so gut es geht, zur Tür, einen Koch im Rückensog. Dieser durchlöchert den Waldmeister mit einem Wetzstein, er sticht so lange auf ihn ein, bis er zu Boden sinkt und stinkt. Jubel von den Tischen. Der Koch, ein Baum, ein Berserker, er verbeugt sich. Als Zugabe reißt er der Leiche einen Arm aus. Die Gäste sind besänftigt. Jetzt wissen sie endlich, wie lang sie noch auf ihre Hungerhenker warten müssen.


 

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