Partnervermittlung - Oder Warnung an alle einsamen Herzen -

Meine Silberhochzeit ist schon mehr als 10 Jahre her. Wir haben dieses Fest nicht großartig gefeiert. So glücklich war unsere Ehe nicht, dass man sich mit den Kindern, Verwandten und Freunden hätte freuen können. Warum sind wir bloß so lange zusammen geblieben? War es Gewohnheit, Bequemlichkeit, oder war da doch noch Liebe?
Nun ist es aber vorbei. Endgültig? Wer weiß.
Seit fast einem Jahr wohnt er bei der Anderen, die angeblich schon immer seine große Liebe war. Ich war damals 15, er 16, als wir uns verliebten. Wenn sie seine Jugendliebe war, frage ich mich heute: Wann hat er angefangen zu lieben? Vielleicht schon als pubertierender 13jähriger?
Er war meine große Liebe. Mist! Es ist vorbei!
„Mensch Gerti“, sage ich mir, „du bist eine attraktive und kluge Frau im besten Alter.“ Mit Mitte 50 ist man noch zu jung, um für immer alleine zu bleiben. Beim Bäcker um die Ecke, oder an der Bushaltestelle trifft man keinen neuen Partner. Nein, da gibt es doch noch andere Möglichkeiten. Dienstags und samstags stehen immer die Kontaktanzeigen in der Zeitung. Ich wollte sie nie lesen. Es hatte mich bisher nicht interessiert. Doch irgendwie blieb ich gleich an der ersten Annonce eines Kontaktwilligen, als ich doch mal durchblätterte, hängen. Ich fand sie in der Rubrik: Er sucht sie. Ein Mann Namens Jens, Anwalt für Familienangelegenheiten, will mit einer netten Partnerin über den Weihnachtsmarkt bummeln, oder in Jeans oder Abendkleid mit ihr ausgehen. Klingt doch gut. Einen Klugen, Schlanken und Attraktiven suche ich ja auch. Also griff ich sofort zum Telefon und wählte die angegebene Telefonnummer: 11825, eine teure Auskunft. Na ja, dachte ich: Der hat diese Nummer angegeben, weil er sich vor unseriösen und aufdringlichen Weibsbildern schützen will. So eine bin ich ja nicht. Er ist es, genau dieser Jens, der auf mich, die Gerti, wartet. Meine Intuition gab mir diese Gedanken ein. Doch bald schwand meine Euphorie von der Vorstellung, meinen nächsten Weihnachtmarktbummel mit Jens, dem 185 großen und schlanken Mann, unternehmen zu können.
Schon die Tonbandstimme, die mir sagte: „Nach dem Signalton kostet dieser Dienst in der Minute 1,99€“, ließ mich eine Gänsehaut bekommen.
Ich ließ mich trotzdem, unter dem Kennwort „Harmonie“, so wie es in der Anzeige stand, verbinden.
Eine Frau meldete sich. „Hallo! Hier spricht Ulrike, was kann ich für Sie tun?“
Ich erzählte ihr von der Kontaktanzeige.
„Gerti, ist Ihre Absicht ernst zu nehmen, dass Sie den Jens kennen lernen möchten?“
„Natürlich. Würde ich sonst anrufen?“
Ulrike erklärte mir, dass sie nun einen Fragebogen mit mir ausfüllen wird, weil der Jens über mich Bescheid wissen will, bevor er mit mir Kontakt aufnimmt.
Das ist verständlich. Sie fragte und fragte. Fragte mich sogar, ob ich Haustiere habe. Als ich ihr erzählte, dass mein Hund schon 13 Jahre alt ist, wollte sie seinen Namen wissen. Sie selbst habe auch einen Hund der schon sehr betagt sei. Ich schaute beängstigt zur Uhr. 20 Minuten habe ich nun schon über mich erzählt. Die Frage nach dem Hund nahm mindesten zwei Minuten in Anspruch. Wenn die jetzt noch fragt, was mein Hund am liebsten frisst, flippe ich aus. Meine Wut steigerte sich nach jeder erneuten Frage nach Belanglosigkeiten. Aber was soll’s. Ich hatte damit angefangen, und wollte es auch zu Ende bringen. Nach dem alten Sprichwort: „Die Hoffnung stirbt zuletzt,“ wollte ich ja immer noch ein bisschen an einen Erfolg glauben.
Nach einer Stunde war die Befragung beendet.
„Rufen Sie heute am Abend an. Da machen wir einen Kontakt zwischen Ihnen und dem Jens. Ich brauche etwa 3 Stunden um Ihre gemeinsamen Angaben abzugleichen. Wenn mindestens 50% übereinstimmen, dann steht einem gemeinsamen Telefonat nichts mehr im Wege.“
Aufgeregt wartete ich bis ca. 19:00 Uhr. Dann wählte ich, die von Ulrike angegebene 0900er Nummer.
Tonbandstimme: „Dieser Dienst kostet Sie nach dem Signalton 1,86€ für jede Minute.“
Dann wurde ich durchgestellt zur Partnervermittlung.
„Hallo! Hier spricht Gerti. Ich möchte bitte den Jens sprechen.“
„Das geht leider nicht. Jens ist bereits mit einer anderen Dame im Gespräch. Wenn diese nicht die Richtige ist, dann wird er vielleicht mit Ihnen sprechen wollen. Das können wir aber leider nicht beeinflussen.“
Da läuteten dann wirklich alle Alarmglocken in meinem naiven Hirn. Welcher Scharlatanerie bist du bloß auf den Leim gegangen, hämmerte es in meinem Kopf.
Ich selbst hätte mich für intelligenter gehalten. Man hat ja auch schon genug gehört, über diese anonymen Partnervermittlungen.
„Wir hätten Ihnen aber einen anderen Herrn anzubieten. Er heißt Christian, ist 51 Jahre alt und wohnt in Ihrem Postleitzahlenbereich.“
Sie nannte mir einige Daten zu Christians Person. Ich würgte das Gespräch mit der „netten“ Kupplerin förmlich ab, rief sofort eine Bekannte in dem genannten Wohnort des Christian an, und erfuhr so einiges über den Herrn. So viel zum Datenschutz einer Partnervermittlung.
Allerdings wusste ich nun, dass nicht alles erlogen und erfunden war.
Von einer Kollegin, die lange Zeit arbeitslos war, weiß ich, wie solche Institutionen arbeiten. Sie selbst hatte sich in solch einer beworben und ein Wochenende geopfert um „Paarungswilligen“ das Geld aus der Tasche zu ziehen. Sie wusste zu dem Zeitpunkt nicht, mit welchen Methoden das geschieht, hat aber schnell mitbekommen, dass solche Kontaktanzeigen, wie die des Anwaltes Jens, nur fingiert sind. So ziehen sich die unseriösen „Kuppelinstitute“ die Leute ran. Ob am Ende wirklich jemand auf diese Art und Weise den Partner fürs Leben findet, wage ich inzwischen zu bezweifeln.
Wieder eine Erfahrung mehr in meinem Leben. Es ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert, außer dass ich um ca. 150,00€ erleichtert wurde.
Ein Trost ist dabei: Vielleicht bekommen ein paar Langzeitarbeitslose, wie evtl. diese Ulrike, ein paar Euro ab, um für ihren zahnlosen Hund Schappi kaufen zu können.
Dies als Warnung für alle die glauben, über eine Telefonnummer wie die 11825 oder ähnliche, das Glück fürs Leben finden zu können.

Eure Gerti Melchior

 
Kontakt zur Autorin: Brigitte Richter -  richter-thierbach@gmx.net  
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