Johannes Bückler,
genannt "der Schinderhannes ”, war ein deutscher Räuber, dem heute 130
Straftaten, zumeist Diebstähle, Erpressungen und Raubüberfälle nachgewiesen
werden können. Die Gesamtzahl seiner Mittäter betrug 93.Carl Zuckmayer
umschrieb den Hunsrückräuber in seinem Schinderhanneslied mit den Worten:
” Das ist der Schinderhannes, der Lumpenhund, der Galgenstrick, der
Schrecken jedes Mannes und auch der Weiberstück .” Das hörte ich schon zu
meiner Schulzeit. In Mainz ist der Schinderhannes bekannt wie ein bunter
Hund. Als ich mit 17 Jahren den Hennes kennen lernte, wusste ich noch nicht,
dass sein Vater und seine Mutter das Gasthaus
” Zum Schinderhannes ” in der Holzstrasse in Mainz führten. Nach und nach
freundeten wir uns an, bis ich mehr oder weniger zur Familie gehörte. So
verkehrte ich mehrmals in der Woche im ”Schinderhannes.”
Ich hatte immer das Gefühl, sobald ich den ”Schinderhannes” betrat, dass
jemand um mich herum sei, wie ein Schatten, der nicht zu mir gehörte. Die
Geschichte selbst, über den Räuber Schinderhannes - war mir nicht in allen
Details bekannt, und doch schien es so, als wäre ich mit ihm verbunden. wenn
ich die Gaststube ” Zum Schinderhannes ” aufsuchte. Angst hatte ich nicht.
Und doch kribbelte es mich, wenn ich so allein am Tisch saß. Manchmal hockte
ich stundenlang ganz alleine da und schaute mir jedes einzelne Möbelstück,
jeden Bilderrahmen, die schon einige hundert Jahre alt zu sein schienen, an.
Ich dachte darüber nach, ob der Schinderhannes an diesem Tresen, auf den ich
jetzt die Arme aufstützt, gesessen haben mochte und versuchte, in die alte
Zeit einzutauchen und mir vorzustellen, dass er jetzt zur Tür hereinkäme,
gefolgt von seinen engsten Freunden: dem Hassinger, Scheeler, Müllerhannes,
Husarenphillip, Schwarzer Jonas, Schlechter Freier und seinem Julchen.
Während ich so durch meine Gedanken in eine frühere Zeit hineinspazierte,
saß er mir plötzlich gegenüber: Der Schinderhannes und - lachte mich
lauthals an. Nun hatte ich es geschafft. Ich war angekommen. War nun ein
Räuber und schunkelte mit der Bande und trank und sang das Lied: ” Doann
ging seu Räuwerlewe zu Enn‚ im schäijne Mainz am Rhein, und wir hier in de
Krone, gedenke heuer sein. Das war der Schinderhannes, der Lumpenhund, der
Galgenstrick, der Schrecken jedes Mannes und auch der Weiberstück!”
Jahre vergingen und ich hatte das eine oder andere Land besucht und kam für
eine Weile zurück nach Mainz .
Es zog mich sofort 'Zum Schinderhannes'. Ich war einfach süchtig nach der
Gemütlichkeit und dem Schrecken, der sich in mir auslöste, wenn ich im ´Schinderhannes´
saß. Doch den Hennes, meinen Freund, gab es nicht mehr. Er und seine Familie
waren spurlos verschwunden. Es gab nun eine neue Besitzerin, die das
Gasthaus 'Zum Schinderhannes' führte. Die Wirtsstube war bumsvoll. Ich hatte
aber Glück, und mein Platz, auf dem ich immer saß, wenn ich zu Gast hier
weilte, war nicht besetzt. Im ersten Moment fand ich das sehr seltsam. Es
gab keinen einzigen unbesetzten Stuhl bis auf den, auf dem ich zu sitzen
pflegte. War das Zufall? Oder war der Schinderhannes im Raum und hatte mir
all die Jahre meinen Stuhl frei gehalten? Als die neue Wirtin auf mich zu
kam, fiel sie fast auf die Knie, fuchtelte wild mit den Armen herum und
sagte: ” So viele Jahre, so viele Jahre, so viele Jahre.” Ich sah in die
vielen Gesichter, die mich anschauten und hob die Schulter. Ich stand wieder
auf und wollte gehen. Das mit der neuen Wirtin war mir dann doch etwas
peinlich. Aber einer der Gäste drückte mich zurück und sagte: ” Nehmen Sie
ihr das Gerede nicht übel . Seit Jahren hat kein Gast auf diesem Stuhl
gesessen. Sie denkt, dass dies der Sitz vom Schinderhannes gewesen ist. Dass
er verflucht ist, der Stuhl. Und der, der sich darauf setzt, könne nur der
Hannes sein.”
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