Ein Ich kommt selten allein

"Bist du fertig mit den Hausaufgaben?" fragte Clarissa quer durch den Raum.
"Fast fertig", antwortete ihr Aaron. Er saß in seinem Rollstuhl, setzte seinen nachdenklichsten Blick auf, schwang fleißig den Bleistift und bewegte seine Lippen ohne etwas zu sagen.
Claire lächelte und spürte, wie warme Zuneigung in ihr aufstieg. Seit ungefähr 2 Jahren arbeitete Clarissa für Aarons Familie und fungierte hauptsächlich als Kindermädchen, das sich, wenn seine Eltern arbeiteten, um Aaron kümmerte. Die Bezahlung war gut, sie hatte genügend Freizeit, doch das wichtigste war, dass sie Spaß daran hatte, Zeit mit Aaron zu verbringen. Das Klopfen an der Tür riss Clarissa aus ihren Gedanken. Schnell stellte sie den Kuchenteig, an dem sie rührte, ab, rief "Komme schon!" und eilte zur Tür. Es handelte sich um einen Mann, der ohne auf die Einladung zu warten, hereinstürmte.
"Hey, was soll das?!?" kreischte Clarissa.
"Tut mir leid Schatz, aber ich habe keine Zeit zum Plaudern", sagte der Mann.
Clarissa schnaufte empört. "Erstens: Ich bin nicht ihr Schatz und zweitens, wenn sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei", stellte sie klar.
Der Mann drehte sich schlagartig um. "Ich weiß, aber was sollen die schon tun?" antwortete er lachend.
"Dann passen sie auf", erwiderte sie mit zusammengepressten Lippen, griff nach dem Telefon und wählte 919.
"Wer sind sie?" fragte Aaron, der den Bleistift niedergelegt hatte.
Der Mann drehte sich geschwind um. "Da bist du ja!!!" rief er und breitete die Arme aus. "Wo hast du denn gesteckt?"
Aaron schob sich etwas näher. "Wer sind sie" wiederholte er und betonte dabei jedes Wort nachdrücklich.
"Wer ich bin?" sagte der Mann verwundert. "Na ich bin du... nur älter"
"Sie sind die gleiche Person wie ich? wiederholte Aaron.
"Ganz genau, freut mich sehr Aaron," sagte der Mann im Vorbeigehen und kniete sich vor dem Jungen nieder. "Ich bin deinetwegen hergekommen, denn du hast mich gerufen."
"Okay, die Polizei ist auf dem Weg", sprach Clarissa. "Wenn sie jetzt verschwinden, kommen sie vielleicht noch davon."
"Ich gehe nirgendwo hin. Nicht bevor ich Aaron geholfen habe." redete er zurück.
"Bist du wirklich der, den ich gerufen habe?" wollte der Junge wissen.
Der Mann lächelte schelmisch und fing an zu erklären. "Ich bin ein Zeitreisender aus dem Jahr 2026 und... ja ich bin du."
Clarissa ließ vor Schreck das Telefon fallen. "Sie sind ja verrückt!" rief sie.
"Ganz und gar nicht!" fuhr der Fremde sie fast schon empört an. "Aaron, du und ich sind ein und dieselbe Person."
Aaron sah sein vermeintliches Ich eindringlich an. "Die Zeitmaschine funktioniert also wirklich", stellte er fest.
"Ja, das tut sie und ich werde sie dir zeigen. Du wirst begeistert sein."
"Zeigen sie sie mir", verlangte Aaron mit einem Leuchten in den Augen.
Der vermeintliche andere Aaron seufzte. "Vorher musst du mir erklären, warum du mich gerufen hast."
Clarissa platzte der Kragen. "Hören sie sofort auf solchen Schwachsinn zu reden. Sie sind kein Zeitreisender und schon gar nicht Aarons zukünftiges Ich!" brüllte sie, doch der Fremde ignorierte Clarissa und ging zum Tisch, wo Aarons Hausaufgaben lagen. Er wühlte in den Notizblöcken umher und erstarrte plötzlich. Der Mann riss einen Zettel ab, las ihn aufgeregt und bewegte dabei die Lippen. Erschrocken sog Clarissa die Luft ein und schlug sich die Hände auf den Mund. Wie von selbst bewegten sich ihre Beine auf den Mann namens Steve zu und sie nahm sein Gesicht in ihre Hände um es genau zu begutachten. Jetzt da sie ihn zum ersten Mal bewusst ansah bemerkte sie die himmelbauen Augen, die sie auf dieselbe Art und Weise wie Aarons ansahen. Im selben Moment ließ sie den Mann los und kniete sich vor Aaron.
"Das bist wirklich du?" fragte Clarissa.
"Ich glaube schon." entgegnete Aaron.
"Warum hast du ihn gerufen?" hakte das Kindermädchen nach.
Der Junge ignorierte Clarissas Frage, stattdessen richtete er sein Wort an sich. "Wie kann es sein, dass du gesund bist?"
"In der Zukunft gibt es Mittel und Wege, die mir helfen zu laufen und das Leben eines normalen Menschen zu führen. Deswegen sehe ich auch etwas anders aus. Komplizierte Angelegenheit." antwortete der falsche Steve abwesend während er durch Aarons Notizen blätterte.
Begeistert suchte der Junge Clarissas Blick, die seinen mit erstaunter Miene erwiderte.
"Ich hatte vergessen wie düster meine Gedanken waren", sagte der zukünftige Aaron und wirkte plötzlich bedrückt. "Ich weiß warum du mich gerufen hast."
Clarissa nahm besorgt Aarons Hand. "Was meint er damit?" fragte sie.
Aaron schwieg einen Moment bevor er sprach. "Gestern nach der Schule habe ich den Brief an unsere Adresse geschickt unter der Bedingung, dass er am 15. Mai 2026 zugestellt wird."
"Ich hab den Brief vor ein paar Stunden erhalten und bin dann sofort los." erklärte der nicht mehr so fremde Mann.
Clarissa atmete tief durch. "Okay, das klingt schräg." stellte sie fest. "Aber warum hast du dein zukünftiges Ich überhaupt gerufen und woher wusstest du, dass du eine Zeitmaschine besitzen würdest."
"Ich wusste es, weil ich mit der Konzeption der Zeitmaschine schon begonnen hab. In 8 Jahren müsste ich mit der Umsetzung der Zeitmaschine fertig sein und ich hatte recht" erläuterte der Junge.
"Wir haben immer recht. Ein Segen für Genies wie uns," ergänzte seine ältere Version.
Clarissa tat seinen Satz mit einer genervten Handbewegung ab. "Warum hast du dich selbst gerufen?" hakte sie nach.
Aaron senkte den Blick.
"Sieh mich an, Aaron" sagte Clarissa konsequent aber dennoch liebevoll und hob sanft sein Kinn, damit er ihr in die Augen sah.
Er schluckte, antwortete aber. "Ich hab mich selbst gerufen um zu sehen ob es sich für mich lohnt weiterzumachen, ob es etwas gibt, worauf ich mich freuen kann" sagte er.
Clarissa wusste nicht warum, aber sie verstand sofort was er meinte. Seit ein paar Monaten hatte sie schon bemerkt, dass sich Aaron seit seiner letzten Lungenentzündung, woran er recht oft litt, verändert hatte. Er war ruhiger, weniger unternehmenslustig und nachdenklicher als sonst und verbrachte die meiste Zeit damit in seinem Zimmer zu arbeiten. Immerhin bezeichneten seine Lehrer Aaron als außergewöhnliches Genie, deshalb hatte sich Clarissa nicht wirklich was dabei gedacht, wenn er in seine Notizblöcke schrieb.
"Warum hast du nie etwas über deine Gefühle gesagt?" wollte sie wissen und versuchte die Tränen zurückzuhalten.
"Mit wem hätte ich darüber reden sollen? Mit dir?"
"Warum nicht? ich bin deine Freundin." empörte sie sich.
"Vielleicht bist du das wirklich, aber in Wahrheit bist du nur jemand der bezahlt wird um sich um mich zu kümmern. Es gibt niemanden der freiwillig mit mir Zeit verbringt."
Das hatte gesessen. Clarissa konnte nichts entgegnen, obwohl sie wusste, dass er falsch lag.
"Du liegst falsch", meldete sich der Mann zu Wort. "Du erkennst nur noch nicht, was du hast, deswegen bin ich hier. Ich bin hier, um dir zu zeigen was du hattest, was du hast und was du haben wirst" fuhr er auf kryptische Art fort.
Clarissa drehte sich nach der Tür um, als es klingelte.
"15 Minuten... kein Verlass mehr auf die Exekutive. Immerhin hätte ich ein psychopathischer Killer sein können, in dem Fall wärt ihr schon längst tot" sagte der zukünftige Aaron kopfschüttelnd.
"Ich wimmle sie ab", sagte Clarissa und ging zur Tür.
"Wir sind allein, gut. Dann lass uns gehen" schlug der Mann vor.
Aaron stutzte. "Gehen...wohin?" wollte er wissen, während er Clarissa die Polizisten begrüßen hörte.
"Wir gehen auf eine kleine Reise", erklärte der Mann und trat näher an den Jungen heran.
Plötzlich zog er seinen Ärmel hoch und ein Gerät an seinem Handgelenk, das einem Blutdruckmessgerät glich, kam zum Vorschein. Er tippte darauf herum, sodass sämtliche Töne in allen Höhen und Tiefen erklangen.
"Fertig." flüsterte er zu sich. "Bist du bereit zu gehen?" fragte er.
"Ja, das bin ich", erwiderte Aaron und seine Worte hätten nicht wahrer sein können.
Plötzlich passierte etwas, das nur schwer zu erklären war. Aarons anderes Ich legte seinem jungen Gesellen die Hand auf die Schulter. Alles um die beiden herum löste sich auf, hörte auf zu existieren, bis nur noch Nichts übrig war. Auf einmal ließen sich wieder Konturen erkennen aus denen sich feste Gegenstände herauskristallisierten. Aaron sah sich um. Sie befanden sich immer noch im Wohnzimmer seines Hauses, doch etwas war anders. Die Möbel standen anders, der Fernseher war nicht flach und die Wände hatten eine anderen Anstrich.
"Wo zum Teufel sind wir?" flüsterte Aaron.
"Das ist unser zu Hause, nur zu einer anderen Zeit. Das ist das Jahr 2000, etwa 2 Wochen nach unserer Geburt", antwortete der Mann.
"Es funktioniert tatsächlich. Reisen in die Vergangenheit sind möglich", staunte Aaron.
Der Junge begutachtete die Zeitmaschine an seines Begleiters Handgelenk, die Beiden unterhielten einige Minuten über technischen Schnickschnack und Aaron stellte dutzende Fragen. Plötzlich kam jemand zur Tür herein, doch der ältere Aaron machte keine Anstalten sich zu verstecken. "Keine Panik, die Maschine verhindert, dass wir gesehen werden."
Aarons Vater trat ins Zimmer, beide Hände voll mit Taschen. Seine Ehefrau folgte ihm mit leisen Schritten. Die Frau hielt ein Baby, das friedlich schlief in ihren Armen.
"Bin das ich?" fragte Aaron.
"Ja." antwortete sein Begleiter. "Wir wurden gerade entlassen. Unsere Eltern verarbeiten gerade die Diagnose die man uns gestellt hat."
Aaron begann zu verstehen. Seine Mutter hatte verquollene Augen, die von dunklen Ringen umrandet waren und sein Vater rieb sich ständig die Stirn und sah verloren in die Ferne. Die Beiden trauerten um ihren Sohn der niemals so sein würde wie ein normales Kind.
Plötzlich traf es den Jungen wie einen Schlag. "Ich will das nicht sehen, bitte bring mich hier weg." flehte er.
"Nein." schloss der andere es kategorisch aus. "Du hast mich gebeten dir zu helfen und das tue ich."
"Warum zeigst du mir das?" fragte Aaron
"Sieh einfach hin." wies er ihn an.
Seine Mutter setzte sich auf die Couch und wiegte den kleinen Aaron in ihren Armen. Ihre Augen erhellten sich als das Baby Geräusche machte. Plötzlich fing der kleine Aaron an zu weinen. Er heulte so laut, dass es im ganzen Haus zu hören war.
"Bitte nicht weinen." sagte seine Mutter als ihr eine Träne die Wange herunter lief. "Ist schon gut ich bin hier. WIR sind hier und wir lieben dich hörst du? Wir lieben dich." fuhr sie fort.
Aarons Vater drehte sich um, tiefe Falten zeichneten seine Stirn und er setzte sich zu seiner Familie. Wie aus dem nichts begann er ein Lied zu singen. Ein Lied, das Aaron von Kindheit an kannte und nie wusste wann er es gelernt hatte. Das Lied war wie ein innerer Reflex der sich immer von selbst aktivierte, wenn er sich allein fühlte. Aaron kannte die Melodie, den Rhythmus und Text als ob er mit dem Wissen geboren worden war. Nun beobachtete er die Geburtsstunde einer Tradition die sein Leben immer etwas besser gemacht hatte. Er konnte nichts dagegen tun er musste einfach mitsingen. Es war wie zu versuchen die Augenlider solange wie möglich offenzuhalten. Egal wie sehr er dagegen ankämpfte, irgendwann musste er doch dem Drang nachgeben, also sang er mit. Die Familie sang im trauten Einklang ein Lied und der kleine Aaron hörte langsam auf zu weinen. Seine Atmung wurde ruhiger und er schlief friedlich ein. Der Gesang hörte auf und im Haus herrschte Ruhe. Die junge Familie machte es sich auf der Couch bequem und genoss ihr eigene kleine Welt. Aaron wusste worauf das hinauslief und er verstand nun.
"Was sagst du?" brach der älteste Aaron die Stille.
Aaron hätte einiges sagen können, doch er entschied sich für ein Wort das wahrer nicht hätte sein können. "Danke!"
Der ältere Aaron lächelte nur, tippte auf der Zeitmaschine herum und fasste Aaron wieder auf die Schulter. Alles begann wieder von vorne, der Raum verschwand im nichts nur um dann veränderter Weise wieder aufzutauchen. Die Beiden befanden sich immer noch im Wohnzimmer, doch dieses Mal hatte es die Einrichtung die Aaron gewöhnt war. Flachbildfernseher, moderne Holzmöbel und weiße Wände umgaben ihn. Er hörte eine Stimme, die er sehr gut kannte: Clarissa. Sie stand an der Tür, genauso wie zum Zeitpunkt ihres Abgangs und versuchte die von ihr selbst gerufenen Polizisten wieder loszuwerden.
"Sind sie sicher, dass alles in Ordnung ist Ma'am?" wollte der jüngere Officer noch mal wissen.
"Ja Officer, ich habe überreagiert. Sie wissen doch, dass Frauen dazu neigen." und lachte übertrieben. Die Officers lachten herzlichst mit ihr.
"Chauvinistische Sprüche mit jede Menge Ironie untermalt. Damit wickelt sie gern Männer um den Finger." kicherte der zukünftige Aaron. "Deshalb lieben wir sie." hängte er an.
Aaron runzelte die Stirn und spürte wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. "Wa..was meinst du?" stotterte er.
"Genau das was du denkst." entgegnete sein älteres Ich. "Du bist erst 14 und doch weißt du es schon. Das Gefühl das du bekommst wenn du sie siehst, hörst, riechst oder sogar nur an sie denkst ist Liebe. Du wirst versuchen es herunterzuspielen, dir einzureden, dass es sich nur um eine für Teenager normale Verliebtheit handelt, doch es wird nicht lange dauern bis du verstehst, dass es weit mehr ist als das." versuchte er ihm klar zu machen.
Aaron stutzte. "Ich... was..." stotterte er wieder. "Ich bin ein 14-jähriger Junge der an Muskelschwund leidet und Clarissa ist eine 22-jährige Schönheit mit einem umwerfenden Charakter. Wie stehen da die Chancen.? Eher gewinne ich Im Lotto und werde noch am selben Tag vom Blitz getroffen" sagte er nun konzentriert.
Sein Gegenüber nickte. "ich verstehe es besser als jeder andere. DU verstehst nicht worauf ICH hinaus will."
"Dann erklär es mir."
"Clarissa steht gerade an der Tür und versucht die Polizisten loszuwerden die sie selbst wegen eines Typen der von sich ein Zeitreisender behauptet zu sein gerufen hat." führte er aus.
"Und?" Aaron verstand nicht.
"Du hast gesagt Clarissa würde nur bezahlt werden um mit dir Zeit zu verbringen. Für jemanden der nur seinen Job macht steckt sie ganz schön viel Leidenschaft in ihre Arbeit, ich meine sieh sie dir an." Der Zeitreisende zeigte in Richtung Tür, wo noch immer Clarissas Stimme herkam. "Denk genau darüber nach was ihr Beide alles zusammen macht, wie ihr miteinander umgeht. Das ist nicht einfach nur ein Job für sie... das ist Freundschaft." fuhr er fort.
Aaron blickte den Flur entlang und beobachtete wie Clarissa immer noch versuchte die Officers loszuwerden, doch der Trick ihren Charme spielen zu lassen ging wie es schien nach hinten los, denn sie wollten gar nicht mehr gehen.
"Clarissa ist meine beste Freundin. Ich weiß nicht was ich ohne sie tun würde." sagte Aaron mit abwesenden Ton.
"Dir muss endlich klarwerden, dass nicht alles um dich herum schlecht ist. Ich weiß es klingt nach Klischee, doch es gibt zu viele schöne Dinge im Leben um sich hängen zu lassen. Es liegt in unserer Natur alles negativ zu sehen und die positiven Dinge zu vernachlässigen, aber wenn du dich dagegen wehrst verspreche ich dir wirst du es nicht bereuen." belehrte der Ältere den Jüngeren.
"Auf Wiedersehen machen sie es gut!" rief Clarissa den Cops hinterher und blies erschöpft die Luft aus während sie die Tür schloss.
Aaron hörte seine andere Version am Gerät tippen als plötzlich die Materie um sie herum verschwand und der Raum sich wieder veränderte. Das Haus, das die Beiden eben noch schützte war verschwunden und sie befanden sich unter freien Himmel. Aaron zuckte erschrocken zusammen als einige Regentropfen auf ihn herabfielen. Sie waren eiskalt und ließen den Jungen in Kombination mit dem stürmenden Wind schlottern.
"Wo zum Teufel sind wir hier?" fluchte Aaron.
"Zu Hause." erwiderte sein Gegenüber lächelnd. Er stellte sich hinter Aaron und schob ihn geradeaus. Das ging eine Weile so bis der Junge fast schon zu einem Eiszapfen gefroren war, doch dann erblickte er endlich ein Haus, das alleine in der Pampa stand.
"Sind wir endlich da?" fragte Aaron wie ein quengeliges Kind.
"Ja, das ist mein Haus." antwortete der andere.
"Warum sind wir vorhin nicht im Haus gelandet?" wollte Aaron wissen.
"Eigentlich sind wir das, aber in dieser Zeit existiert es nicht mehr. Ich hab es abreißen lassen."
Aaron stutzte. "Was... warum?" fragte er empört.
Sein Begleiter schwieg einen Moment. "Ich bin 8 Jahre älter als du, das sind 2922 Tage mehr an Erinnerungen und nicht alle davon sind erinnerungswürdig, deshalb beschloss ich mit der Vergangenheit abzuschließen und eine neue Ära in einem neuen Haus zu beginnen." antwortete der Mann.
"Hast du es geschafft neu anzufangen?" hakte Aaron mit einem mulmigen Gefühl nach.
"Um ehrlich z sein weiß ich es noch nicht." sagte er.
Aaron versank tief in seinen Gedanken. Stand ihm das alles auch bevor? Oder hatte sich durch das Wissen über seine Zukunft diese bereits verändert.
"Es ist nichts Besonderes aber ich bin stolz darauf." rechtfertigte der zukünftige Aaron sich und riss den jüngeren aus den Gedanken. Sie standen jetzt in dem Haus.
Aaron sah sich neugierig um. "Müsstest du nicht in einer Villa mit unzähligen, unnötig Angestellten leben und Milliarden an Dollars scheffeln, immerhin bist du der Erfinder Zeitmaschine." dachte er laut.
Sein Gegenüber lachte stumpf. "Wenn's nur so einfach wäre. Ich glaube nicht, dass die Menschheit dazu bereit wäre. Stell dir vor jeder hätte Zugang zu einer Zeitmaschine. Jeder hätte die Macht selbst kleinste Fehler aus vergangen Tagen auszumerzen, mächtige industrielle Konzerne würden sich daraus Wettbewerbsvorteile versprechen, sodass bald unkontrollierbares Chaos ausbrechen würde." gab er an. "Nein... das wäre zu gefährlich."
Aaron nickte zustimmend. "Das Zurück in die Zukunft II Szenario nur auf globaler Ebene ausgebreitet." verglich Aaron.
"So könnte man es auch ausdrücken." lachte der Ältere nun etwas heiterer.
Er führte den Jungen durchs Haus bis sie an einer Tür ankamen. "Es wird Zeit, das wir von Angesicht zu Angesicht reden." sagte er.
Aaron runzelte die Stirn. "Das haben wir doch die ganze Zeit gemacht." seine Stimme klang verwirrt.
Der fremde Mann öffnete die Tür. Aaron warf einen Blick hinein und ihm stockte der Atem. Zuerst hatte er die Vermutung, dass er in einen Spiegel schaute, doch er bemerkte, dass einige Details anders waren. In diesem Raum saß Aaron, er besetzte einen Stuhl mit Armlehnen, eine Stütze schien seinen Kopf, an dem eine Art Messgerät befestigt war, zu stabilisieren und diese Version schien zu schlafen. In seinem Gesicht zeichneten sich unzählige Fältchen ab und Aaron kam nicht umhin zu denken, dass diese Version weit älter als 22 war. Sein Haar war kurz geschoren und er sah schlecht aus, obwohl Aaron nicht dachte, dass es noch schlechter ging.
"Was geht hier vor sich? fragte er nervös, sein Puls beschleunigte sich.
"Das bin ich oder du in 8 Jahren." antwortete der seltsame Nicht-Aaron.
"Aber wie... ich dachte du wärst..." stotterte der Junge und blickte zwischen den kuriosen Gestalten hin und her.
"Ich befinde mich im leblosen schlaf, das bedeutet mein Bewusstsein wird in diesen Androiden transportiert aber meine restlichen Gehirnaktivitäten halten meinen ursprünglichen Körper am Leben." erklärte der zukünftige Aaron.
Aaron keuchte, von den Information überfordert brachte er nur schwer ein Wort heraus. "Das sind dann also die Mittel und Wege von denen du gesprochen hast." riss er sich zusammen.
"Ganz genau." sagte der schlafende Aaron plötzlich als er die Augen aufriss und Aaron fast zu Tode erschreckte. "Entschuldige bitte." sagte er als er das schockierte Gesicht des Jungen sah. "Ich hab vergessen wie normal ich einst war." sagte er.
Aaron zog eine Augenbraue hoch. "Bist du denn nicht mehr normal?"
"Schon lange nicht mehr." antwortete der Mann ruhig und seufzte erschöpft.
Aaron wunderte sich. "Du redest auf einmal anders. Irgendwie... trauriger." meinte er. "Und siehst älter als 22 aus."
"Ja mein Bewusstsein hat begonnen sich zu verändern wenn es im Androiden steckt, als ob er eine eigene Persönlichkeit entwickelt." ein heftiger Donnergroll ließ den Mann kurz innehalten. "Was hab ich gesagt um wie viel älter ich bin?"
"Du meintest du bist um 8 Jahre älter."
Der ältere Aaron nickte als ob er das erwartet hatte. "Er hat ja nicht unrecht, der Android ist 8 Jahre alt. Wirklich bemerkenswert ich hab nicht mitgekriegt was ich gesagt habe, Details unseres Gesprächs zu minderst nicht Ich sollte den Avatar wohl eine Weile in Ruhe lassen." schwadronierte er.
Aaron war verwirrt. "Wie alt sind sie denn nun wirklich?" fragte er.
"Ich bin 42. Du befindest dich im Jahre 2042."
Aaron schwieg. Natürlich musste er weit älter sein, sein Haar ergraute bereits und Fältchen schmückten sein Gesicht.
"Warum bin ich hier?" wollte Aaron wissen.
"Sag du es mir. Du hast Mich gerufen." erwiderte der andere Aaron.
"Ich wollte sehen was mal aus mir wird."
"Nun dann sieh dich mal um." schlug der Mann vor.
Aaron warf einen Rundumblick durchs Zimmer. Die Fenster wurden von roten Vorhängen verdeckt, an der Decke hing ein altmodischer, jedoch prachtvoller Kronleuchter und an einer Wand waren einige Bilder zu sehen. Der Raum war größtenteils verstaubt und dreckig, doch dieser Teil sah sauber und gepflegt aus. Aaron begutachtete die Fotos. Er konnte sich selbst darauf erkennen, er musste zu diesem Zeitpunkt Mitte 20 gewesen sein, trug ein Sakko und sah glücklich darauf aus. An seiner Seite stand eine Frau. Aaron spürte wie jeder seiner Muskeln sich anspannte. Es war Clarissa, die ihr herzlichstes Lächeln aufgesetzt hatte und sich liebevoll zu ihm herunterbeugte. Auf seltsame Weise erfreut erkannte Aaron, dass Clarissa ein festliches Hochzeitskleid an hatte und er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
"Das ist... ich.." Aaron war perplex. "Mir fehlen die Worte." sagte er nur.
"Ich weiß wie du dich fühlst." antwortete der Ältere. "Du musst mir etwas versprechen." sagte er bedeutungsschwer.
"Was meinst du?" Aaron stutzte.
"Du musst mir versprechen alles in deiner Macht Stehende zu tun um dein Leben voll auszunutzen und zu genießen. Jeder Tag ist ein Geschenk und umgib dich mit Menschen die dir etwas bedeuten und denen du ebenso etwas bedeutest, denn ehe du dich versiehst sind die schönen Zeiten vorbei... das musst du mir versprechen." erklärte der zukünftige Aaron. "Es ist wichtig, dass du dein Leben jetzt, da du einen Teil deiner Zukunft kennst, nicht als selbstverständlich ansiehst. So etwas wie göttliche Fügung gibt es nicht, nur du bist deines Schicksals Schmied. Hast du verstanden?"
Aaron nickte euphorisch. "Ich verspreche es dir. Ich werde couragiert mein Leben leben und hoffentlich eines Tages so glücklich werden wie du." er blickte zu den Hochzeitsfotos.
Der zukünftige Aaron lächelte unauffällig. "Sei vorsichtig was..." Das Gerät am Arm des Androiden klingelte hektisch. "Verdammt! Die Energie der Zeitmaschine neigt sich dem Ende zu." sagte er und schloss die Augen.
"Okay, können wir sie denn nicht aufladen oder sowas?" fragte Aaron ein bisschen aufgeregt.
"Das würde Wochen dauern und du würdest hier einstweilen festsitzen.." antwortete sein Gegenüber jetzt wieder in der Androiden Gestalt, sodass der Junge erneut heftig erschrak. "Bevor du gehst will ich dir noch etwas sagen. Erinnerungen sind das Wertvollste was wir besitzen, als bewahre sie dir gut. Sie besitzen die Macht Leben retten." fügte er noch an.
Aaron runzelte verwirrt die Stirn. Ehe er nachfragen konnte was er meinte legte der Aaron-Android die Hand auf die Schulter des Jungen. Als der Raum um ihn herum wieder verschwamm blieb Aaron cool und beobachtete neugierig dieses seltsame Phänomen. Alles um ihn herum war in sanfte Weiß getaucht und so etwas wie Materie schien nicht zu existieren. Von einen Moment auf den anderen stand er wieder im Wohnzimmer und sah gerade wie Clarissa aus dem Flur hereinkam.
Sie blickte überrascht umher. "Wo ist er hin?" fragte sie.
Aaron tat es ihr nach und schaute sich um. Sein zukünftiges ich war nicht mehr hier.
"Was ist passiert?" hakte Clarissa nach und kniete sich hin um dem Jungen in die Augen zu sehen.
Aaron erwiderte ihren Blick. "Ich..." er zögerte. "Er hat mir gezeigt was ich sehen musste." antwortete er.
Plötzlich blitzten Bilder von in seinem Kopf auf. Seine Eltern wie sie ihn liebevoll trösteten und für ihn sangen, Clarissa die mit all ihren Charme 2 Polizisten um den Finger wickelte und natürlich das zukünftige Hochzeitsfoto von sich und seiner Clarissa.
"Du lächelst ja", stellte Clarissa erfreut fest.
"Ich habe mich gerade an etwas Schönes erinnert", antwortete Aaron.
"Das ist gut", sagte sie. "Erinnerungen können einem das Leben retten. Vergiss das niemals."
Aaron nickte heftig. "Das werd ich niemals, ich verspreche es", schwor er.
 
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