Nackte Tatsachen

Leseproben aus meinem Buch des Jahres 2009

 

Nackte Tatsachen

 

Die Idee war gar nicht so schlecht:
man muss die EU den Bürgern nahe bringen.
Mhmm – geredet wird davon schon seit Jahren

Nun hat es eine junge Werbefirma
einmal wirklich versucht.
Ein guter Fotograf zieht einem Mädel
einen schmalen EU-blauen Slip an
grad so breit, dass auf die Vorderseite
der Ring aus den 12 gelben Sternen passt
genau über der Muschi.

Am fertigen Plakat sieht man die gelben Sterne
herrlich auf dem blauen Stofffleckerl leuchten
darunter einen gut gewölbten Venushügel.
Die Oberschenkel und der teilweise entblößte Busen
verschwimmen leicht in Unschärfe
Echt gut fotografiert, muss ich sagen. 

Die Plakate hängen keine 24 Stunden in Wien.
Es hagelt Proteste von Frauenrechtlerinnen,
selbst einige Landeshauptmann-Frauen
sprechen von „zutiefst frauenfeindlicher Darstellung“.
Mehrere Sonderkommandos müssen in der Nacht
und bei dichtem Schneetreiben ausrücken,
und alle bereits montierten EU-Tangas wieder abräumen.
Die Kosten sind enorm – wir Steuerzahler tragen sie.

Auf die verbotenen Plakate setzt ein unglaublicher Run ein.
Leider hab ich keines mehr ergattert –
Eines hängt jetzt in Graz bei einer Kunstaktion.

Aber ein Digitalfoto davon habe ich geschossen.
Möchte wer von euch einen Abzug?

 

* * * * *


 

Vive la France!

 

Nach Jahren bin ich wieder in dem kleinen Städtchen
an der Küste der Normandie – nahe Le Havre.
Hier soll heute um 11 die erste futuristisch anmutende
öffentliche WC-Anlage feierlich eingeweiht.
Sogar eine Stadträtin und
ein paar Obleute sind gekommen.

Transparente, Blasmusik und Freibier -
da lassen sich unsere Kommunalpolitiker nicht lumpen.

Reden werden geschwungen
Applaus brandet auf, dann wird es ernst. 

Wenn das Scheißhaus von einer
Mehrheit der Bürger angenommen wird,
soll schon bald die gesamte EU drauf gehen.
Die Herstellerfirma verdient goldene Kotklumpen damit.

Während nun selbst die Opposition von einem großen
Schritt in die richtige Richtung spricht,
trete ich an das EU-blaue Riesending heran:
Sieht aus wie eine überdimensionale Klopapierrolle.   

Leichtmetall und Plastik wurden verwendet
und das ganze sieht recht stabil aus – und hochmodern.
Nach der zweiten Umrundung des Dings
finde ich sogar die Einstiegsschleuse.

Doch das Tor bleibt zu, so fest ich auch ziehe
und den versenkten Silberknopf drücke.
Daneben eine Vertiefung mit einer Plexiglasscheibe
hinter der an einer Kette ein Büchlein baumelt. 

Mit beiden Händen schiebe ich das Plexiglas beiseite
und greife mir das Buch: „Bedienungsanleitung“ – Mhmm!
Auf knapp 40 Seiten EU-Richtlinien erfährt man viel
über die richtige und gefahrlose Benützung der Anlage.  

Fast nur Bilder in Vierfarbdruck
dazu einzelne Sprechblasen
und auf jeder zweiten Seite ist die 2-Euromünze
eines anderen EU-Landes abgebildet.

Das wird ein teurer Spaß
und eilig darf es der arme
EU-Scheißer der Zukunft
auch nicht haben – bei dem Textumfang!

Die Feier strebt unweigerlich dem Höhepunkt zu.
Frau Stadtrat wird nun das erste EU-Klo
feierlich eröffnen, der Allgemeinheit übergeben

und hoffentlich gleich selbst einweihen.

Tatsächlich schneidet sie die färbig Schärpe,
wie sie sonst auf Brücken und Autobahnen
verwendet wird, gekonnt mit einer riesigen
Schere durch – Applaus brandet auf und Hoch-Rufe. 

Sie legt die Schere auf den roten Samt zurück
und tauscht sie gegen eine 2-Euro-Münze.
Nach einigen Zuflüsterungen findet sie den Schlitz,
wirft ein und wartet. Und wir mit ihr. 

Dann ertönt nach einer knappen Minute
eine künstliche Blechstimme: „Bitte werfen
sie eine gültige 2-Euro-Münze ein – danke!“
Eilig wird ihr eine andere Münze gereicht.

Neuerlicher Einwurf – gleiches Ergebnis.
Die Menge wird unruhig, man gibt der Musik ein Zeichen.
Ein flotter Marsch ertönt,
Bier wird weiter ausgeschenkt.


In der Pause schnappt sich Frau Stadtrat das Mikro:
“Herrschaften, eine kleine elektrische Panne,
ein Techniker der Firma ist schon auf dem Weg hierher.
Ich wünsche weiterhin gute Unterhaltung!“

Sie schäumt innerlich, schnauzt ihre Umgebung an,
Sekretär und Sektionschef versinken förmlich im Boden.
Ich kann es nicht mit ansehen, schleiche mich zur blauen Tonne und nestle ein französisches 2-Eurostück hervor.

Der Rest ist rasch erzählt.
Bei meinem ersten Versuch gleitet das Tor
lautlos zur Seite, ich trete ein und bin auch schon
für die Menge unsichtbar.

Die Kabine ist schalldicht, leise Musik dudelt hier drinnen.

Mit Genuss nehme ich umständlich auf der hellblauen
Klobrille Platz und hab zum ersten Mal in meinem
Leben einer amtierenden Stadträtin die Show gestohlen.  

Und beim Abschütteln intoniere ich gekonnt
die Marseillaise.

Vive la France!

 

* * * * *


 

Ein Cross von Cassius Clay

 

Sitze am Tresen und trinke meinen zweiten Roten
Die wenigen kleinen Glühbirnen
lassen fast alles im Dunkeln.
Am übernächsten Hocker ein alter Süffel,
der nur mehr zittert und bei jedem Schluck
die Hälfte seines Drinks verschüttet.
Wir sind zusammen an die 150 Jahre alt,
schätze ich.

Der Typ hat soeben die zweite Hälfte
seines Drinks verschüttet und stellt das Glas
vorsichtig auf die Steinplatte vor ihm.
Ungläubig wackelt er mit dem trostlosen Kopf,
weißes Haar fast bis zur Schulter.

Ich mach der Barfrau Zeichen.
Sie ist keine einssechzig groß
und besteht fast nur aus Busen,
der in ein winziges weißes Top
eingeklemmt ist.
Sie füllt das Glas des Weißhaarigen
und schiebt mir ein neues zu. 

„Hey, bist ein echter Kumpel.
Joe mein Name, was verschafft mir das Vergnügen?“

Ich nicke nur, proste ihm zu, wir trinken. 

Hinterm Tresen stehen von uns weggedreht
die einssechzig Busen.
Die kleine nestelt an ihrem weißen Top rum,
zieht es vorne etwas hoch, befeuchtet den Stoff
mit ihrer Zunge und rubbelt an einem winzigen Fleck.

Ich seh die unten hervorquellenden Möpse im Spiegel.
Fast geht mir einer ab. 

„Kann ich helfen? Ich kenn mich mit Flecken aus.“

Sie dreht sich lässig um,
schaut mich über die linke Schulter mitleidig an:
“Alter, den Fleck schaffst du nicht mehr!“
Dabei zieht sie das weiße Etwas noch ein Stück höher.
Eine Titte wird komplett sichtbar,

der Nippel steht steil ab.

“Wenn das alles echt ist, fress ich einen Besen, du Luder!“

“Kannst schon mal anfangen,
am Scheißhaus steht jede Menge davon rum.“ 

Damit fängt sie gekonnt ihren monströsen Vorbau
mit dem weißen Stofffetzen ein – der Fleck
ist doch tatsächlich weg –
aber um den geht’s gar nicht mehr.
Die Vorstellung ist beendet.
Und der Alte neben mir
versabbert bereits seinen nächsten Drink.

Ich leg zwei Scheine auf den Tresen
und bin auch schon draußen.
Vor der Tür höre ich noch ihr hohes Lachen,
während mich die kalte Nachtluft voll trifft,
wie ein linker Cross von Cassius Clay.

 

* * * * *

 

 

Kreuzweise

 

Zeit wird immer mehr zum Problem
und es ist schlimmer als alles,
was ich je unter Lehrern, Pfarrern, Weibern
und Polizisten zu leiden hatte.

Hätte nie gedacht,
dass ich auch mal so ein
Zitterarsch würde, der schon
zum dritten Mal glaubt,
dass der anbrechende Frühling
sein letzter wäre.
 

Es ist aber so.
Mir rinnt die Zeit
vor meinen Augen
die Kloschüssel runter.

Ich hätt’ noch so viel zu tun,
doch die Götter scher’n sich
’nen Dreck darum.
Im Gegenteil. 

Sie berauben mich
meines kostbaren Lebenselixiers
wo’s nur geht: Überweisungen,
Arztbesuche, Katzenfutter, Impfungen,
eingewachsene Zehennägel, Rechnungen,
Mahnungen, ungedeckte Schecks,
die Augen alle paar Stunden eintropfen,
die falschen Zähne dauernd reinigen,
durchgebrannte Sicherungen,
Kinder mit ihren Sorgen,
Weiber mit ihren Wünschen und
gerissene Schnürsenkel im falschen Moment.
Das bring ich an einem Tag
gar nicht mehr alles unter.
Nicht einmal drei Tage reichen dafür. 

Und da schreit mich der Grenzer an,
dass mein Bild im Führerschein
mir nicht einmal entfernt ähnlich sieht
und dass ich mir endlich einen
neuen rosa Lappen ausstellen lassen soll.
Um 69 Euro! 

Um den Betrag kann er
mich am Arsch lecken – kreuzweise!


 

* * * * *


 

Nicht ums Verrecken

 

Wenn ich so die Zeit an mir vorbei ziehen lasse,
dann vergleiche ich nun schon immer öfter
die verschiedenen Generationen,
die mich begleitet, mich umgeben haben.

Zuerst einmal meine eigene Generation,
die in den letzten Wirren des Krieges schlüpfte
kaum etwas zu fressen dafür aber
kaputte Häuser und ebensolche Eltern hatte.

Alles staubig, dreckig, notdürftig repariert.
Viel Schutt, Ziegel, Asche und ein
Besatzungssoldat spielt mit einem gelben Ball,
Wir kannten damals Orangen noch nicht.

Die Menschen nur mager, grau
und viel faltige Haut und Knochen.
Und Verwundete, Verstümmelte,
Einarmige und Krückengeher.

Häuser werden langsam bewohnbar.
Kartons in den Fensterrahmen verschwinden,
Scheiben werden eingeschnitten,
Glas ist ein kostbares Gut.

Es gibt Kartoffel, Kraut, Polenta,
ab und zu ein Stück fasriges Zeug in der Suppe.
Ich kann mich an die erste halbierte Knackwurst
in einem Teller Spinat erinnern.

Elektrisches Licht scheint heller,
ein Radio ersetzt den Detektor
samt den Wehrmachtshörern.

Ein neues Schloss an der Tür.
In der Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung
wird umständlich und in Schwarzarbeit
Wasser – natürlich kaltes – eingeleitet.
Wir haben einen eigenen Wasserhahn!

Das Klo bleibt auf’m Gang,
Alle Mieter des dritten Stockwerks
benützen dieses Klo, jede Wohnung
besitzt einen großen eisernen Schlüssel.

Gebadet wird jeweils am Samstag
in einer Sitzbadewanne aus Zink, die unter
der Woche am Klo hängt – überm Kopf.
Wasser wird am Gasherd in der Küche erwärmt.

Vater, Mutter und Kinder baden hintereinander
im gleichen Wasser. Kühlt es aus,
wird ein Liter heißes Wasser
vom Herd nachgegossen.

Ein Stück Seife muss 2 Monate halten.
Keine Waschküche, nur 2 große emaillierte
Spülbecken in der Küche für das Geschirr
und am Wochenende für die Unterwäsche.

Im Hof unten sind Schnüre gespannt,
da hängt täglich die Arme-Leute-Wäsche.
Grau, durchlöchert, ausgefranst, dürr
und mager wie ihre Träger.

Ein Eiskasten wird hoch getragen,
kein elektrischer, sondern einer mit einer Zinkwanne,
und jeden zweiten oder dritten Tag bringt ein Mann
auf der Schulter schön gehackte Eisbrocken.

An ihn kann ich mich heute noch ganz genau erinnern.
Er ist eine echtes Kraftpaket mit Eispickel in der Hand,
schwarzes Leder auf der linken Schulter,
darauf ein brauner Jutesack gegen die Kälte.

Im Hof werden durch Schreien und manchmal Singen
Arbeiten und Dienste angeboten:
“Scherenschleifer is doooo“, „Eismau is doooo“,
“Lumpen- und Fetzensaummla is doooo“.

Ein Jahr darauf bekommen wir Telefon.
Gleich bei der Eingangstür wird es montiert.
Wenn man abhebt, gleitet eine schwarze Scheibe
zur Seite. Ich weiß die Nummer noch heute „B20920“.

Die Winter sind hart, kaum jemand hat Brennmaterial.
Ein kleiner Eisenofen im mittleren der drei Räume.
Zeitungspapier wir gehortet, Altholz, jede Leiste,
jedes Brettchen, Lumpen, Fetzen, Pappe.

Im kleinen Kellerverschlag, vier Stockwerke tiefer,
liegen ein paar Kohlen, etwas Briketts.
Jeden Tag muss ich mit einem oben spitz zulaufenden
Blechkübel und der Schaufel hinunter.

Die Ritzen der Fenster werden notdürftig verstopft,
knistert es im Ofen, wird einem vom Zuhören
schon warm – Stunden später dann wirklich.
Wenn das Feuer erlischt, geht man schlafen.

Kurz bevor ich für immer von zu Hause weggehe,
kommt ein Fernseher – schwarzweiß – ins Haus.
Ein Programm, ein paar Stunden pro Tag.
Das Radio ist noch lange Zeit viel wichtiger für uns.

Die nächste Generation hat es schon weitaus besser:
Kino, Farbfernsehen, Eis, Warmwasser, mehr Steuern,
Übergewicht, Zigaretten, Miniröcke, Scheidungen,
Stress im Beruf, Herz- und Kreislaufkrankheiten.

Und die Generationen danach? Oh Gott!
Wirtschaftswunder, Luxusweiber, Autos mit vielen PS,
Benzin, Diesel, Raketen, Weltraumfahrt, Computer,
Kalter Krieg, überfüllte Irrenhäuser und Gefängnisse.

Noch ein paar Jahre später dann Milliardäre,
Industriegiganten, Multikonzerne, Globalisierung,
Riesentanker, Kyoto-Protokoll, Irak, Israel, Iran,
Verarmung, Verwahrlosung, Drogen, Aids.

Und in Zukunft? Drastischer Klimawandel, Katastrophen
am laufenden Band, Erdbeben, Überschwemmungen,
Dürre, Hunger, Krieg um Öl und danach um Wasser.

Mord, Totschlag, Wahnsinn, gestürzte Regierungen.
Gestürmte Parlamente, geplünderte Großmärkte,
brennende Stadtviertel, lahm gelegte Verkehrswege,
verwüstete Flughäfen, gesprengte Atomkraftwerke,
nukleare Wolken, Hurrikans, Hunderte Millionen Tote.

Und die Menschheit schafft es einfach nicht -
nicht ums Verrecken!


 

* * * * *




Herr, o Herr!

 

Herr, warum erschaffst DU uns als Mann und Weib,
wenn daraus Betrug, Scheidung und Kinder entstehen?

Herr, warum lässt DU uns Kinder zeugen,
wenn sie betteln, verhungern und stehlen müssen?

Herr, warum duldest DU seit jeher Völker,
die Generationen lang nur verstümmeln und morden?

Herr, warum lässt DU uns wie die Karnickel vermehren,
dass wir nach Wasser, Luft und Raum vergebens gieren?

Herr, warum siehst DU Verbrechern, Vergewaltigern,
Ausbeutern, Präsidenten und Päpsten tatenlos zu?

Herr, warum redest DU vom freien Willen
und geißelst uns mit Krebs, Pest und Aids?

Herr, warum verhängst DU Gebote über uns
und lässt Korruption, Rauschgift und Prostitution zu?

Herr, wenn nur DU der Allmächtige und Weiseste bist,
was machen dann Buddha, Jehova, Bhagwan und Co?

Herr, o Herr, ich bin davon überzeugt, dass nicht nur
wir Menschen in unserem Leben viel Scheiße bauen!

 

 

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