Pornoklage
In New York gehen schon vor Prozessbeginn die Wogen hoch, klagt doch ein
Mann eine Pornoseite im Internet wegen fehlender Untertitel.
Zugegeben, der Mann ist gehörlos! Er besucht die Seiten regelmäßig und
erfreut sich jedes Mal an den tollen Szenen und den hübschen Akteuren.
Nach mehrmaligem Ansehen versteht er auch die Zusammenhänge
einigermaßen, aber er sieht auch, dass die Schausteller bei einigen
Szenen ihren Mund recht auffällig bewegen und sich da sicher wichtige
Sachen zurufen, die er durch seine totale Gehörlosigkeit natürlich nicht
mitbekommt.
Von den Lippen ablesen klappt hier auch nicht, weil die Gesichter der
Sprechenden ja nicht immer im Fokus der Filmkamera liegen. Da gibt es
lohnendere Motive, wie man sich leicht vorstellen kann.
Als er mit seinem Freund, einem kleinen Anwalt, die Sachlage bespricht,
wird die Anklage eingereicht. Diese richtet sich gegen die
Produktionsfirmen dieses speziellen Filmgenres. Der Prozess verspricht
alleine schon wegen der als Beispiele vorgesehenen Filmtitel und -szenen
recht spannend zu werden – dem entsprechend groß ist das allgemeine
Interesse der Medien und recht schnell ist der Saal im Gericht mit
Adabeis gefüllt.
Nach 2 Prozesstagen dann das Urteil: Die Betreiberfirma der
Internetseite wird dazu verpflichtet, jedes Video mit Untertiteln in der
Landessprache zu versehen.
Wird dieser Verpflichtung binnen Monatsfrist nicht nachgekommen, wird
die Seite vom Netz genommen und der Betreiber verliert den URL.
* * * * *
Der Googletrick
Mein Freund Fritz erklärt mir, wie Google Maps es schafft, auf seiner
App alle Straßenabschnitte mit Staugefahr gelb, alle total verstopften
Straßenzüge rot und alle freien Straßen grün darzustellen. Und noch dazu
in Echtzeit. Das ist für die staugeplagten Autofahrer eine feine Sache,
denn so können diese schon im Vorfeld Staus erkennen und eventuell noch
ihre Fahrtroute ändern. Ich hab‘s ausprobiert – funktioniert tadellos.
Nur konnte ich mir nicht erklären, wie Google das mit den Farben
hinkriegt.
Wozu hat man Freunde? Fritz klärt mich sofort auf und ich muss sagen,
dass ich von der Idee wirklich begeistert bin.
Nein, Google schickt nicht Autos durch die Straßen, die dann die
Verkehrslage checken und ins Netz stellen. Das geht viel eleganter.
Heute hat doch jeder Mensch mindestens ein Handy. Auch Autofahrer sind
da keine Ausnahme. Jeder hat doch sein Handy stets dabei, und die Dinger
sind natürlich eingeschaltet. Jedes eingeschaltete Handy wird auch
laufend über GPS geortet und erzeugt bei Google auf dem Schirm einen
kleinen Punkt. Ein Stau wird nun als eine Linie von vielen Punkten, die
sich nur zögernd bewegen, dargestellt. Und diese Linie färbt ein Rechner
automatisch gelb ein. Bewegen sich die Punkte nicht mehr, was natürlich
Stillstand auf der Straße bedeutet, springt die Farbe auf rot um. Keine
oder nur vereinzelte Punkte auf einer Straße heißt natürlich freie Fahrt
und grün.
Als ich die Idee kapiere, bin erst mal von den Socken. Warum kommt unser
einer nicht auf sowas? Zu dumm!
Der Gedanke von den vielen Staus auf den Straßen und deren bunte
Darstellung auf Millionen von kleinen Bildschirmen lässt mich tagelang
nicht los, und bald darauf habe ich eine wahnwitzige Idee.
Ich schreibe Freunde und Bekannte mit einer sonderbar anmutenden Bitte
an.
„Leute, gebt mir eure alten Handys, die ihr eh nicht mehr braucht. Seht
nach, jeder hat doch in irgend einer Schublade so ein Ding. Und schickt
mir oder gebt mir das Teil beim nächsten Wiedersehen. Nur funktionieren
sollte der kleine Apparat schon noch.“
Solche Bettelmails schreibe ich viele, und langsam bekomme ich eine
schöne Sammlung von Nokias, Samsungs und Chinesen zusammen. Auch ein
paar alte iPhones sind darunter; deren Besitzer haben meist das letzte
Modell und die beiden Vorgänger in irgend einer Lade.
Und nach knapp zwei Monaten habe ich fast hundert mobile Telefone
beisammen und kann mein Experiment starten. Zuerst einmal muss ich alle
Akkus aufladen. Bei hundert Geräten dauert das schon ein paar Tage. Und
als die letzten wieder Saft haben, verlieren die erst geladenen schon
wieder an Kapazität. Aber mit viel Geduld habe ich alle Handys dann
soweit, dass ich mein Experiment starten kann.
Ich packe die hundert eingeschalteten Handys in einen kleinen
Aktenkoffer, den ich am Beifahrersitz meines Autos ablege. Mein eigenes
Handy verwende ich als Navi, starte Google Maps und fahre los. Alle paar
Sekunden checke ich mein am Armaturenbrett befestigtes Handy. Es dauert
keine zwei Minuten, da baut sich genau auf meinem Weg ein Stau auf,
zuerst wird der Straßenzug, den ich befahre, gelb, nach einer weiteren
Minute rot. Google sagt mir sehr deutlich, dass ich in einem immensen
Stau stecke, obwohl ich das einzige Auto auf der Straße bin.
Ich nehme die nächste Autobahnauffahrt nach Süden. Sofort erzeuge ich
auch hier einen soliden Stau, der bald bis zur nächsten Abfahrt anhält.
Dabei fahre ich buchstäblich allein auf der sonst um diese Zeit stark
befahrenen Strecke.
Was war wohl geschehen? Goggle Maps hat meine hundert Handys als hundert
verschiedene Fahrzeuge gedeutet und nicht als hundert Handys in einem
einzigen Fahrzeug. Dadurch wurde der betreffende Straßenzug schnell rot
eingefärbt. Dies sahen alle Fahrzeuglenker, die auf ihr Hände guckten,
deuteten rot als riesigen Stau und suchten sich eine Ausweichroute. Das
kam natürlich mir zu Gute, denn ich hatte die ganze Strecke fast für
mich alleine.
Ich nahm die übernächste Ausfahrt und führ auf der recht stark
befahrenen Gegenspur zurück nach Hause. Und ihr werdet es nicht glauben:
Nach wenigen Minuten verebbte nun auch in dieser Richtung der Verkehr
deutlich und ab der nächsten Auffahrt hatte ich die Autobahn wieder für
mich allein.
Als ich Fritz von diesem Experiment erzählte, sah er mich fassungslos
an. „Hätte ich geahnt, wofür du mein altes iPhone brauchst, ich hätte es
dir nie gegeben. Du hast damit eine Straftat begangen. Du kannst doch
nicht nach deiner Vorstellung den ganzen Verkehr durcheinander bringen.
Das wird sicher noch ein Nachspiel für dich haben!“
Hatte es nicht! Und wenn man auf mich gekommen wäre, hätte ich mich
damit rausgeredet, dass ich als Künstler doch nur eine Installation,
also ein Kunstwerk im öffentlichen Raum veranstalten wollte. Eben eine
Art virtueller Plastik aus rund hundert eingeschalteten Handys.
* * * * *
R.I.P. QR
„Hier ruht unser Vater, Onkel und Großvater. Unvergessen!“
„Geheimrats-Gattin, Mutter und Schwester. Gott hab sie selig!“
„Hausherr und Seidenfabrikant, Josef K. Ruhe in Frieden!“
Solche Grabinschriften sieht man nur mehr auf alten Friedhöfen oder in
Wien noch originär am Sankt Marxer Friedhof. Denn auf anderen Friedhöfen
geht meiner Beobachtung nach ein neuer Trend um. Von diesem berichte ich
hier.
Noch ist es kein neuer Trend, aber es könnte einer daraus entstehen. Und
zwar macht hier ein kleiner Friedhof am Südrand von Wien den Vorreiter.
Hier liegen auch meine Eltern unter einem Haufen Erde und ich besuche
sie ein- oder zweimal im Jahr. Bei dieser Gelegenheit wandere ich auch
eine Weile durch andere Abschnitte des Friedhofs, betrachte frisch
aufgeworfene Erdhügel, umgefallene Grabsteine, lese die Schleifentexte
auf den Kränzen der frischen Gräber. In einer Ecke des Friedhofs, komme
ich stets an einem Hochgrab mit Marmorengel und weißer Taube vorbei,
wenn ich zu meinem Auto zurückgehe.
Heute sinkt die Sonne langsam hinter die Friedhofskirche und zeichnet
lange Schatten auf die Kieswege. Ich schlage heute einen anderen Rückweg
ein und gelange so zu einem völlig neuen Grab. Sehr modern, wie aus dem
nächsten Jahrhundert. An Stelle des Grabsteins, steigt eine dicke,
geschwungene Glasplatte aus der Erde, deren Kanten rundum blau leuchten.
Das fällt auf, das zieht einen in den Bann. Ich gehe auf die
geschwungene Glasskulptur zu. Kein Name, kein Beruf, keine Jahreszahl,
kein tiefsinniger Spruch für den Entwichenen. Nur fahles, blaues Licht.
Als ich nahe genug an der Platte stehe, fällt mir eine Messingplatte
20x20 cm auf, die auf dem Glas zu kleben scheint. Und auf diese
Metallplatte ist doch tatsächlich ein QR-Code geätzt. Ihr wisst schon,
diese vielen kleinen schwarzen und weißen Quadrate, die zusammen wieder
ein großes Quadrat ergeben. Man sieht sie auch schon manchen
Ausstellungen und Museen. Ist eine gute Erfindung! Hält man nämlich sein
Handy mit der Kamera an dieses Quadrat, wird einem alles von dem
entsprechenden Kunstwerk erzählt, besser aufs Display des Handys
geschrieben. Auch an alten und berühmten Bauwerken habe ich diese
QR-Codes schon entdeckt. Aber was sollen diese Dinger auf einem
Friedhof, auf einem Grabstein?
Ich, nicht faul, zücke mein Handy, halte es in kurzer Entfernung da die
Messingplatte und schon kommt Text auf meinen Bildschirm. Und was ich
hier lese, erstaunt mich doch sehr.
So kann ich die ganze Lebensgeschichte des hier Beerdigten nachlesen,
sehe ein Foto von ihm, von seiner Familie und seiner Firma. Dann werden
seine Leistungen für die Öffentlichkeit gewürdigt und seine Orden
aufgezählt. Ein kurzes Video, das den Mann zu Lebzeiten zeigt, gibt es
auch noch zu sehen.
Ich bin unterdessen beim Ausgang angelangt und lese noch immer in der
Lebensgeschichte des Mannes unter der blau schimmernden Glasplatte. Was
es nicht alles gibt!
Spätestens hier solltest du unter
helmut@schida.at
das Buch bestellen! Denn ich denke, es wird dich sicher interessieren,
warum es demnächst wahrscheinlich kein Eskimo-Eis mehr geben wird.
Dieses Buch wird darüber Auskunft geben. Du wirst staunen, wetten?!
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