Leseprobe aus    "EIN LEHRERLEBEN 3" 

(Helmut L. Schida ,           2021)

 


 
ERSCHEINT  DEMNÄCHST !  Doch schon jetzt gibt es ein paar kleine Textproben daraus ...


Joschi und der Hummer

In der Schule läuft es nach über 30 Dienstjahren recht locker und leicht für mich. Ich habe genug Erfahrung mit den Jugendlichen, stehe gottlob turmhoch über dem Lehrstoff, wie es mein Lieblingsprofessor in der Ausbildung stets von uns forderte, und die anfängliche Unsicherheit ist lockerer Routine gewichen. Ich finde sogar Zeit neben meiner schulischen Tätigkeiten ein wenig an der Börse zu spekulieren; natürlich mit Geld, das ich die nächsten fünf Jahre nicht brauchen werde. Das ist eine eiserne Regel, die ich von meinem Kollegen Peter früh übernommen habe, und an die ich mich noch heute halte.

Eben unterrichte ich Biologie in meiner Klasse – es sind 30 Vierzehnjährige -, da geht die Tür auf und Joschi, mein Pizzawirt, tritt mit einem Kübel in der Hand ins Klassenzimmer.

„Hey, das ist aber eine Überraschung, Joschi! Wie kommst du hierher? Hier hast du mich doch noch nie besucht!“ Ich bin wirklich geschockt. Was hat Joschi da nur ausgeheckt und was bringt er in dem Kübel mit? Auch die Kinder sind überrascht, denn sie kennen Joschi nicht, haben ihn hier noch nie gesehen. Was für einen Freund hat der Klassenvorstand denn da wieder aufgerissen? Aber sie sind brav und verhalten sich ruhig.

„Du bist recht leicht zu finden. Die Schuladresse hatte ich ja, in der Kanzlei hat man mir die Klasse verraten und hier bin ich. Und wie ich sehe, unterrichtest du grade Biologie, da passt recht gut, was ich dir hier mitbringe.“

Damit wuchtet er den mit Wasser gefüllten Kübel auf den ersten Tisch, an dem zwei Mädchen sitzen, es plätschert ein wenig, dann kreischen die beiden Mädels auch schon auf. Aus dem Wasser taucht nämlich ein riesiges Krebstier mit vorne zusammengebundenen Scheren auf. Ein Hummer! Ein lebender Hummer!

Langsam legt sich die Aufregung, ebenso langsam bewegt das Tier seine Fühler und die Scheren.

„Ich hoffe, du glaubst mir nun, dass meine Hummer im Lokal stets frisch auf den Tisch kommen!“

„Kein Zweifel, mein Freund, der zappelnde Beweis steht ja hier vor mir.“

Joschi wendet sich zur Tür: „Und ich hoffe nur, du kennst dich mit seiner Zubereitung aus und er schmeckt dir dann auch. Ich schenke dir den munteren Burschen, so wie er ist.“ Damit winkt er in die Klasse und ist durch die Tür.

Jetzt ist für die Kinder eine Erklärung fällig.

„Das ist mein Wirt, bei dem ich fast jeden Tag esse“, beginne ich meine Geschichte. „Wir kennen daher einander schon lange. Er verkauft hauptsächlich Pizzas, Spaghetti, Lasagne, Fisch und eben auch Hummer. Ich habe bei ihm schon alles von der Speisenkarte gegessen, außer Hummer eben. Er hat ihn mir schon oft einreden wollen, ich habe aber stets mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Krebstiere unmöglich frisch sein können, bis sie bei ihm auf dem Teller landen. Er hat mir zwar versichert, dass er die Hummer mit dem Flugzeug direkt vom Fang zu sich einfliegen lässt, aber ich habe ihm nicht geglaubt. Und das ist jetzt zum Beweis seine Antwort. Ich habe selbst nicht gewusst, dass er in unsere Klasse kommen könnte.“

„Was machen sie jetzt mit dem Tier, Herr Klassenvorstand? Werden sie ihn essen?“

Es läutet, und ich erspare mir die Antwort und entlasse meine Schüler nach Hause, denn das war für heute ihre letzte Unterrichtsstunde. Nur Herta lässt sich Zeit, es scheint, als warte sie, bis ihre Mitschüler draußen sind. Dann tritt sie an mich heran und fragt mich, ob sie mir mit dem Hummer helfen kann. Sie muss wohl meine unschlüssigen Blicke zum Kübel bemerkt haben.

„Wie willst du mir denn helfen, Herta?“

„Ich könnte im Auto den Kübel mit dem Hummer halten, denn sonst kommen Sie damit nie bis nach Hause. Und ich kenne mich auch mit der Zubereitung aus. Meine Vater hat so ein Tier schon mal ganz köstlich gekocht.“

„Wenn du meinst. Musst du nach dem Unterricht nicht gleich nach Hause gehen? Deine Eltern könnten sich Sorgen machen!“

„Das ist kein Problem, Mutter ist bei der Oma in Linz und mein Vater kommt erst nach sechs von der Arbeit heim.“

„Na gut, dann nimm bitte meine Tasche und deine Schulsachen, damit ich den Kübel zum Auto tragen kann.“

Herta fühlt sich wie eine Königin in meinem blauen MX-5, mit dem Kübel zwischen ihren Beinen.

In wenigen Minuten sind wir bei mir zu Hause und stellen meinen größten Topf mit Wasser auf den Herd. Dann kommt der gruselige Teil der Geschichte, und ich schwöre bei mir: So etwas mach ich NIE mehr wieder!

Wir waschen das sich in Zeitlupe bewegende Tier unter fließendem Wasser, ich halte den Lobster, während Herta mit einer Schere die Gummibänder, die seine Scheren zusammenhalten, durchtrennt. Dann lege ich das Tier auf ein Schneidbrett und betäube es mit einem harten Schlag auf den Kopf. Ich zittere am ganzen Körper, ich bin eben ein Weichei. Herta sieht meine Unsicherheit.

„Jetzt müssen Sie das Tier mit dem Kopf voran in das siedende Salzwasser stecken und komplett untertauchen.“

„Und dann ?“

„Jetzt aufkochen und noch gut 10 Minuten ziehen lassen. Dann raus nehmen und mit dem richtigen Werkzeug sich ans Fleisch vorarbeiten.“

„Herta, ich hab doch kein geeignetes Werkzeug für ‘nen Hummer, nur gewöhnliches Werkzeug!“

„Das geht auch, Papa macht das mit der gewöhnlichen Zange und zwei spitzen Messern.“

„Hilfst du mir dabei und beim Essen?“

Herta willigt ein. Trotzdem bleibt verdammt wenig Fleisch von dem großen Tier übrig. Mit den paar Gewürzen und der Soße, die ich im Eiskasten finde, schmeckt die Geschichte halbwegs, aber dieser Vorfall bleibt mir eine Lehre für mein restliches Leben: Ich werde so ein Tier nie mehr selbst zubereiten oder essen!



Der PC im Vormarsch

Vielen von uns liegt zur Zeit ein anderes Problem im Magen: Der Computerkurs. Schrittweise sollen nämlich alle Schulen Wiens mit PCs und in weiterer Folge mit Internetanschluss ausgestattet werden. Habe ich doch einmal aufs richtige Pferd gesetzt. Die Schulleitung teilt uns mit, dass alle Kollegen diesen Kurs besuchen müssen. Für die ersten vier von uns beginnt die Sache schon nächste Woche. Als diese abgeschlossen haben, frage ich eine Kollegin aus dieser Gruppe, wie viel sie gelernt hat und ob sie sich jetzt auskennt.

„Helmut, ich hab keine Ahnung, weiß nicht einmal, wo ich die Kiste einschalte!“

Das ist ernüchternd, aber auch wieder verständlich. Die Lehrer haben noch keinen eigenen PC. An der Schule steht nur ein Gerät in der Kanzlei. Ich bin der einzige unter uns Lehrern, der sich vor einiger Zeit ein privates Gerät zugelegt hat und schon viel Zeit in die Anwendung gesteckt hat. Ich bin auch der einzige Kollege, der nicht in diesen Einführungskurs geschickt wird. Wozu auch? Wahrscheinlich könnte ich so einen Kurs besser leiten als jeder andere. Aber wozu? Es wird noch Jahre dauern, bis der PC zu einem notwendigen Werkzeug wird, bis er so klein und leicht wird, dass man ihn in der Hosentasche mit sich wird tragen, mit ihm sogar telefonieren und fotografieren wird können. Und dann wird er uns zu fernen Himmelskörpern führen, wird an Orten und unter Umständen arbeiten, die sich heute noch kein Mensch vorstellen kann.



Die Pariser Wohnung

Da flattert mir eines Tages eine Email auf meinen PC. Dazu muss man wissen, dass ich mir sehr früh einen Internetzugang mit eigener Homepage zugelegt habe. Die meisten meiner Kollegen lehnen diese überragende Technik aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit noch ab. Wie oft habe ich hören müssen „Bleib mir mit diesem Kastl vom Leib“ oder „Das brauche ich nicht mehr, ich geh eh schon in drei Jahren in Pension“. Ich aber ahne, welch kolossale Umwälzung dieses Medium mit sich bringen wird und bin also von Anfang an dabei. Ich beherrsche die Technik bis zu einem gewissen Grad, während viele noch mit dem Einschalten eines Computers ihre Schwierigkeiten haben.

Meine Homepage – sie ist heute noch unter www.schida.at erreichbar – fülle ich mit den Ergebnissen meiner Hobbies, die da sind: Fotografie, Malerei und Underground-Literatur. Natürlich kommt es nicht nur in diesem Medium darauf an, wie man seine Inhalte präsentiert. Darauf achte ich besonders bei meinem neuen Hobby. So dauert es auch gar nicht lange, und meine frühe Internettätigkeit wird weltweit wahrgenommen, wie einige Reaktionen beweisen. So fragt mittels oben erwähnter Email ein Dichterkollege aus Deutschland an, ob ich ihm für seine Texte nicht auch eine so schöne Homepage anfertigen könnte. Natürlich gegen Bezahlung. Wir klären die Details ab, Ulrich schickt mir seine Texte und Bilder und ich habe die nächsten Wochen wieder viel zu tun.

Als die Arbeit nach einigen Korrekturen und Erweiterungen im Netz steht, meint Ulrich: „Du Helmut, ich kann Dir Deine Arbeit natürlich bezahlen, aber ich mache Dir folgenden alternativen Vorschlag: Du kannst stattdessen auf Lebenszeit meine Pariser Wohnung am Montmartre nutzen. Bis auf die paar Wochen im Jahr, wo ich sie selbst bewohne. Möchtest Du das?“

Da hat der Uli aber mitten in mein frankophiles Herz getroffen. Klar will ich das! So vergeht keine Woche, und der Wohnungsschlüssel samt Adresse und Code für die Haustüre liegt in meinem Postkasten. Ich kenne die Gegend von meinen zahlreichen Parisbesuchen. Die Gasse liegt am Nordabhang des Montmartre – die Gegend ist super! Südabhang wäre nicht so gut, denn dort fließt tagaus, tagein der Touristenstrom zwischen Sacré Coeur und Pigalle. Ich buche für die nächsten paar schulfreien Tage einen Flug nach Paris und sehe mir gleich mal die Wohnung an. Noch nie bin ich so aufgeregt nach Paris geflogen, sieht man mal von der Reise als Neunzehnjähriger ab.


… warum wohl? Hier solltest du spätestens das Buch bestellen: helmut@schida.at

 

 

So und jetzt eine Mail an helmut@schida.at mit Name, Adresse und dem Vermerk "Ich will das Buch sofort nach Erscheinen haben!"

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