Leseprobe aus    "EIN LEHRERLEBEN - Die ersten 20 Jahre" 

(Helmut L. Schida ,           2018)

Klaus und Erika

Im RG 6 hatte ich wieder ein Schuljahr ohne gröbere Probleme geschafft, wenn man von der Turnnote mal absieht, und meine Mutter und ich durften wieder einen Monat lang Urlaub machen.

Seit zwei Jahren schon fuhren wir nicht mehr auf den Semmering. Klaus und Familie hatten Mönichkirchen als neuen Ort der Entspannung und Erholung ausgewählt und meine Mutter und ich folgten ihnen nun dorthin.

Die Bubenfreundschaft hatte sich gefestigt. Klaus war inzwischen in die Oberstufe seines Gymnasiums gewechselt, während ich das letzte Jahr der Unterstufe noch vor mir hatte. Das Autozählen und die Strichellisten hatten wir längst aufgegeben, für Klaus wurde langsam das andere Geschlecht viel interessanter, noch dazu wo ein knapp 15jähriges Mädchen mit ihrer Mutter in der gleichen Pension auf der Mönichkirchner Schwaig urlaubte.

Erika, so hieß die Wunderbare, hatte langes goldbraunes Haar, das sie offen trug, wenn sie hinterm Haus am Waldrand ihrer Gitarre die betörendsten Töne entlockte. Klaus und ich bewunderten diese göttliche Muse aus der Ferne, anzusprechen wagten wir sie eine Woche lang nicht.

Da zwang uns eines schwülen Nachmittags ein unvermutet aufgezogenes Gewitter mit schlagartig einsetzendem Wolkenbruch, Unterschlupf in einer Scheune zu suchen: Erika, Klaus und ich. Die leichte Bluse klebte an Erikas Körper und modellierte ihre Kurven derart, dass uns beiden Buben schwindlig wurde. Doch es kam noch besser. Erika verschwand hinter einem Stapel aus Strohballen und entledigte sich ihrer nassen Sachen. Dabei kam es mir so vor, dass sie es absichtlich so anstellte, dass wir vollen Einblick in ihren Sichtschutz aus Stroh genießen konnten. Sie warf uns auch den einen oder anderen Blick zu, nur um sich zu vergewissern, ob wir auch ja zu ihr hinsahen. Und das taten wir natürlich gebannt, mit roten Ohren und ohne Pause.

Da hörten wir von weitem Stimmen, die nach uns riefen. Sie gehörten ihren und unseren Eltern. Hastig kleidete sich Erika an, flüsterte Klaus noch etwas ins Ohr, während ich das Scheunentor öffnete und die Alten den steilen Weg zur Scheune hochtraben sah. Fürs Erste hatten wir ein paar entzückte Blicke auf das Wunder des anderen Geschlechts werfen können.

Nach dem Abendessen fragte ich Klaus, was ihm denn Erika in der Scheune noch so schnell und heimlich anvertraut hatte.

„Wir sollen sie morgen um 3 wieder in der Scheune treffen, sie will uns mehr von ihren Dingern zeigen.“

Nun hatten wir Buben auf einmal viel zu besprechen.

„Gehen wir morgen wirklich zu der Scheune?“ „Was sollen wir dort machen?“ „Wird uns Erika verschaukeln?“ „Was will sie uns noch mehr zeigen?“
Und da gab es dann am nächsten Tag einiges, das selbst Klaus noch nicht gesehen haben sollte. Erika geizte nicht mit ihren intimsten Stellen, besonders dem tollen Busen, den steil aufgerichteten Brustwarzen und den fast violetten Warzenhöfen. Ich war mit offenem Mund zur Tomate mutiert, während Klaus mehr die unteren Regionen des Fräuleins inspizierte. Und dabei hatte Erika nichts dagegen, wenn wir sie hier und da auch mal anfassten – im Gegenteil, sie schien das alles sehr zu genießen.

Als wir keuchend und schwitzend neben ihr ins Heu sanken, rückte Erika mit der entscheidenden Frage heraus, die uns wie ein Keulenschlag traf:

„Und jetzt zeigt ihr zwei mir eure Dinger da unten, hm?“ Dabei zeigte sie mit der rechten Hand auf den Latz meiner kleinen Lederhose.

Während ich starr vor Schreck keinen Laut herausbrachte, druckste Klaus herum: „Müssen wir uns noch überlegen“, „das wird gar nicht so leicht“, „wir sollten uns mal wieder bei den Alten zeigen, sonst suchen die uns wieder“, „so wie gestern.“

Erika roch den Braten sofort, erkannte, dass sie es mit blutigen Anfängern zu tun hatte, verlachte uns und verließ die Scheune für immer. Am Samstag darauf reisten sie und ihre Eltern ab, und ich schäme mich heute noch für unsere Feigheit von damals. Hätten wir etwas mehr Mut gezeigt – vieles in unserm Leben wäre anders gekommen.

Damals hatte ich erstmals das Gefühl, das andere Geschlecht wäre kompliziert, und nicht leicht zu verstehen und uns „Männern“ weit überlegen.

Und dieses Gefühl sollte sich im Lauf meines Lebens immer wieder einstellen und an Wucht noch immens zunehmen.

 

* * * * *

 

Hauptschule - Bekleidungsparagraph

In dieser Zeit des Umbruchs, Neubeginns und der brisanten Erfahrungen wurde ich von der Volksschule in die Hauptschule versetzt. War das eine Umstellung!

Zu allererst nahm mich der Direktor der Schule genau unter die Lupe. Ich war Anfang September „der Neue“ und der Chef wollte sicherstellen, dass ich auch in sein eingespieltes Lehrerteam passte. Er legte mir klar, wie seine Konferenzen seit Menschengedenken abliefen, was ich an seiner Schule zu tun und zu lassen hatte, wie ich mich in Gesprächen mit Eltern zu verhalten hatte und vieles mehr.

Stutzig wurde ich als er mir ein eng bedrucktes A4-Blatt vorlegte, das den Titel „Bekleidungsvorschriften für Lehrpersonen“ trug. Man durfte dieses Blatt nicht einfach überfliegen, nein dieser Erlass des Stadtschulrates für Wien, musste nachweislich zur Kenntnis gebracht werden. Wissen Sie, was das bedeutet?

Nein? Dann will ich es gerne erklären.

Man musste den Text im Beisein des Vorgesetzten lesen und dann mit seiner Unterschrift zur Kenntnis nehmen. Das Blatt wurde dann in der Kanzlei bei den Erlässen abgelegt und ich vermute, dass auch im Berzirksschulrat oder gar noch höher eine Kopie davon heute noch existiert.

Nachdem ich alle Weisungen meines neuen Direktors teils auch nachweislich zur Kenntnis genommen hatte, konnte ich mich meiner eigentlichen Aufgabe zuwenden und mich mit den inneren Abläufen des Hauses vertraut machen.

Die Schule wurde nur von Knaben besucht, der Lehrkörper bestand nur aus Männern, dementsprechend hart ging es hier manchmal zu.

Ich war wie schon einmal vor ein paar Jahren der jüngste Lehrer im Team, dementsprechend wurde ich mit Klassen und Fächern eingedeckt, die sonst keiner unterrichten wollte. Das ist aber überall so: den Letzten beißen die Hunde!

Ein einziger Kollege, Franz K., nahm sich meiner an, als er sah, mit welchen Schwierigkeiten ich zu kämpfen hatte. Und ihm allein war es zu verdanken, dass ich den Lehrberuf an dieser Schule nicht schnell an den Nagel hängte.

Anhand des Stundenplans, der sich oft änderte, sah mein Kollege, dass ich für eine fürchterliche 3. Klasse eingeteilt war – seine Klasse. Und das in zwei Stunden. Er nahm mich also zur Seite:

„Helmut, wenn du das erste Mal in die 3b kommst, dann gebe ich dir einen guten Rat. Die Jungs wissen, dass da der Neue kommt und werden versuchen, dich fertig zu machen. Da bist du in 5 Minuten unten durch. Aber das möchte ich vermeiden.“

„Und wie soll ich das anstellen?“

„Ganz einfach. Du gehst gleich nach dem Läuten in die Klasse. Es wird ein fürchterliches Chaos herrschen, sie werden dich nicht einmal zur Kenntnis nehmen. So sind die mal. Wie wilde Tiere. Aber lass dich nicht beirren. Links vorne an der Ecke sollte ein großer Blonder sitzen oder stehen. Auf den gehst du zielstrebig zu und haust ihm ordentlich eine rein.“

„Franz, das kann ich nicht machen. Da verliere ich meinen Posten.“

„Du hast keine Wahl, das sind jetzt schon kleine Verbrecher, die nur die Sprache der Gewalt verstehen. Und der Blonde ist ihr Anführer. Nur wenn du den knackst, dann hast du sie für immer in der Hand.“

Das waren ja schöne Aussichten! Warum hatte ich davon während meiner fünfjährigen Ausbildung nichts gehört?

Die Stunde rückte unerbittlich näher. Dritte Stunde Mathe in der 3b. Kaum hatte die Glocke die Pause ausgeläutet, betrat ich die Klasse, die einem Narrenturm glich. Wie Franz es vorausgesagt hatte, nahm mich niemand zur Kenntnis, es wurde gegrölt, gelaufen und hinten prügelten sich zwei Knaben ganz ordentlich.

Ich suchte den blonden Longinus, der mir den Rücken zuwandte und verkehrt herum auf dem Tisch saß. Schon war ich bei ihm und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, bevor er noch wusste, wie ihm eigentlich geschah.

Blankes Entsetzen in den Gesichtern jener, die die Szene mitgekriegt hatten.

Langsam ging ich zum Lehrertisch, legte mit gekonntem Schwung meine Tasche dort ab, auch wenn ich mir fast in die Hose gepisst hätte. Es war totenstill im Raum, jeder schlich zu seinem angestammten Platz und nahm Aufstellung bei seinem Sessel.

Wahnsinn, dass einer so schnell ihren Capo ausgemacht und ihn für nichts und wieder nichts ordentlich die Fresse poliert hatte. Das war ihnen unbegreiflich. Mir auch.

Es bedurfte nur eines kleines Zeichens mit meiner linken Hand, alle setzten sich still hin und ich konnte mit dem Unterricht beginnen.

Ich bin heute noch meinem damaligen Kollegen Franz – er ist schon viele Jahre tot - für seinen lebensrettenden Rat dankbar. Auch hatte ich seitdem den Ruf des strengen Allwissenden, der sich noch über Jahre hin von Klasse zu Klasse verbreitete und mir vorauseilte.

Natürlich kamen zukünftige Klassen rasch dahinter, dass der Mathelehrer gar nicht so arg war, wie befürchtet, aber ich kann sagen, ich hatte wirklich zeitlebens ein gutes Verhältnis zu den Kindern bei gleichzeitigem Respekt. Denn ohne Regeln und Disziplin kann die Führung der heranwachsenden Generation nicht klappen. Die heutigen Zustände an den Schulen beweisen das nur zu deutlich.

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So und jetzt eine Mail an helmut@schida.at mit Name, Adresse und dem Vermerk "Ich will das Buch sofort nach Erscheinen haben!"

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